Über den Autor
Über den Autor
Jacob Burckhardt (1818-1897), studierte Philologie, alte Geschichte, Theologie, Kunstgeschichte und Geschichte in Basel, Neuenburg, Berlin und Bonn. 1843 Promotion und später Habilitation in Basel. 1848-52 war er Lehrer am Pädagogium in Basel, 1853-54 Italienaufenthalt, 1855-58 Professor für Archäologie am Polytechnikum Zürich, ab 1858 schließlich ordentlicher Professor für Geschichte an der Universität Basel und Lehrer am Pädagogium. 1883 Rücktritt vom Pädagogium, 1886 Rücktritt vom Lehrstuhl für Geschichte, 1893 Entlassung aus dem akad. Dienst als Professor für Kunstgeschichte. Burckhardt war neben Leopold von Ranke und Theodor Mommsen einer der größten Historiker deutscher Sprache.
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Der Schlüssel zum Verständnis von Burckhardts Werk liegt vor allem in seinen »Weltgeschichtlichen Betrachtungen«, einer Vorlesung, die er unter dem Titel »Über das Studium der Geschichte« gehalten hat, und die dreißig Jahre später von seinem Neffen Oeri unter dem neuen Titel herausgegeben wurden. Sie stellen einen Versuch dar, die Aporien des Historismus durch ein typologisches System historischer Konstanten zu überwinden und ein universalgeschichtlich begründetes Urteil über die eigene Zeit zu gewinnen. Und dies unternimmt er nicht als Kulturhistoriker, sondern als Geschichtsphilosoph und Universalhistoriker.
»In kritischer Distanz zu Technisierung, Industrialisierung und Fundamentaldemokratisierung opponierte er gegen die moderne Großstaatsentwicklung – besonders des neuen Deutschen Reichs – und prognostizierte scharfsinnig Konstellationen der politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts. [...] Universalgeschichtlich denkend relativierte er die Bedeutung von Nation und Nationalstaat und baute seine Vorstellung der geschichtlichen Welt anthropologisch von drei Grundbedürfnissen auf, von denen sich die ersten beiden auch institutionell verfestigten: dem politischen (Staat), dem metaphysischen (Religion) und dem kritischen (Kultur) Bedürfnis. Diese Potenzen-Lehre ermöglichte es ihm, über das Individualitätsdenken des deutschen Historismus hinauszukommen und Ereignisse, Zustände und Artefakte typologisch zu erfassen und zu ordnen.« Wolfgang Hardtwig: Über das Studium der Geschichte, München 1990, S. 119f.
»Vor allem durch seine anthropologische Grundlegung, aber auch durch sein typisierendes Verfahren hat Burckhardt der Geschichtswissenschaft entscheidende neue Perspektiven gegeben.« Gangolf Hübinger in: Rüdiger vom Bruch/Rainer A. Müller (Hg.): Historikerlexikon. Von der Antike bis zum 20. Jahrhundert, München 1991, S. 43.
»Eine unersättliche psychologische Neugierde, ruhelos und beunruhigend, von einem untrüglichen Spürsinn für das Fremdeste und Seltenste, Verschollenste und Versteckteste geleitet, war die geistige Zentraleigenschaft Burckhardts. Und dazu kam noch eine geradezu olympische Unparteilichkeit des Urteils, die alles lächelnd als berechtigt anerkennt, weil sie alles versteht.«
Egon Friedell
Inhlat
1. Unsere Aufgabe
2. Die Befähigung des 19. Jahrhunderts für das historische Studium
3. Winke für das historische Studium
4. Zur geschichtlichen Betrachtung der Poesie und der Künste
Die Betrachtung der sechs Bedingtheiten
1. Die Kultur in ihrer Bedingtheit durch den Staat
2. Die Kultur in ihrer Bedingtheit durch die Religion
3. Der Staat in seiner Bedingtheit durch die Religion
4. Der Staat in seiner Bedingtheit durch die Kultur
5. Die Religion in ihrer Bedingtheit durch den Staat
6. Die Religion in ihrer Bedingtheit durch die Kultur
Zusätze über Ursprung und Beschaffenheit der heutigen Krisis
Das Individuum und das Allgemeine
Über Glück und Unglück in der Weltgeschichte
I.
Einleitung
1. Unsere Aufgabe
Die Aufgabe, die wir uns für diesen Kursus gestellt haben, besteht darin, eine Anzahl von geschichtlichen Beobachtungen und Erforschungen an einen halb zufälligen Gedankengang anzuknüpfen, wie ein andermal an einen andern.
Nach einer allgemeinen einleitenden Darlegung unserer Ansicht über dasjenige, was in den Kreis unserer Betrachtung gehört, werden wir von den drei großen Potenzen Staat, Religion und Kultur zu sprechen haben, dann zunächst deren dauernde und allmähliche Einwirkung aufeinander, besonders die des Bewegten (der Kultur) auf die beiden stabilen behandeln, weiterhin zur Betrachtung der beschleunigten Bewegungen des ganzen Weltprozesses übergehen, der Lehre von den Krisen und Revolutionen, auch von der sprungartigen zeitweisen Absorption aller anderen Bewegungen, dem Mitgären des ganzen übrigen Lebens, den Brüchen und Reaktionen, also zu dem, was man Sturmlehre nennen könnte, darauf von der Verdichtung des Weltgeschichtlichen, der Konzentration der Bewegungen in den großen Individuen sprechen, in welchen das Bisherige und das Neue zusammen als ihren Urhebern oder ihrem Hauptausdruck momentan und persönlich werden, und endlich in einem Abschnitt über Glück und Unglück in der Weltgeschichte unsere