Verkehrsflugzeuge. Dietmar Plath. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dietmar Plath
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783964530073
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unter Federführung von Suchoj entwickelte und gebaute neue Regionaljet-Familie Superjet 100, die auch außerhalb ihres Heimatlandes auf Interesse stößt, ist demnach ebenso innerhalb des OAK-Konzerns angesiedelt wie das MC-21-Programm eines Standardrumpf-Mittelstreckenflugzeugs in Konkurrenz zu beziehungsweise als Ablösung von A320 und 737. Auch wenn so mancher bedauern mag, dass auf diese Weise viele traditionelle Herstellernamen verschwinden werden – eine Entwicklung, die Westeuropa und Nordamerika bereits hinter sich haben –, so dürfte der Zusammenschluss der zersplitterten Industrie die einzige Möglichkeit darstellen, das über die Jahrzehnte gesammelte Know-how im Flugzeugbau langfristig zu erhalten.

       Kein leichtes Unterfangen

      Wie schwer es ist, derartige Fertigkeiten aus dem Nichts aufzubauen, hat sich immer wieder gezeigt. Viele haben es versucht und sind doch zumeist gescheitert – oftmals trotz jahrelanger staatlicher Unterstützung. Die Luftfahrt ist nun einmal eine absolute Hochtechnologie-Branche mit extrem komplexen Entwicklungs-, Zulassungsund Produktionsverfahren. Entsprechend zeit- und geldaufwendig ist es, die erforderlichen Fertigkeiten zu erwerben, zumal die etablierten Konkurrenten natürlich alles daran setzen, die Einstiegsschwelle durch den Einsatz immer neuer Technologien möglichst hoch und die Herausforderer auf diese Weise klein zu halten.

      So ist beispielsweise Indonesien mit dem Versuch gescheitert, in Eigenregie einen Regionaljet zu entwickeln, obwohl das Land durch die Lizenzfertigung von MBB-Helikoptern und die Zusammenarbeit mit der spanischen CASA durchaus reichlich Erfahrungen sammeln konnte. Und selbst japanische Unternehmen, die in vielen anderen Branchen bewiesen haben, dass sie nach einer mehr oder weniger langen Lernphase die Wettbewerber das Fürchten lehren können, spielen im Flugzeugbau – bislang – nur als Zulieferer und Programmpartner eine Rolle. Für die sogenannte Systemfähigkeit, also die Fertigkeit, ein komplettes Flugzeugprogramm auf die Beine zu stellen, hat es zumindest im zivilen Geschäft noch nicht gereicht – mit einer Ausnahme: Von der 64-sitzigen YS-11, einem Regionalflugzeug mit Turbopropantrieb, wurden in den 1960er- und 1970er-Jahren rund 180 Exemplare gebaut. Danach beschränkten sich die „Heavies“ (Fuji, Kawasaki und Mitsubishi Heavy Industries) wieder auf ihre Rolle als Lieferant einzelner Baugruppen vor allem für Boeing, aber auch für Bombardier. Das sollte sich mit dem von Mitsubishi entwickelten 70- bis 90-sitzigen Regionaljet MRJ (mittlerweile in „SpaceJet“ umgetauft) ändern, doch bei Drucklegung dieses Buches ließ die eigentlich für 2017 vorgesehene Indienststellung noch immer auf sich warten.

       Lizenzfertigung ohne Lizenz

      Etwas anders sieht die Situation in China aus. Ab den 1950er-Jahren entstanden dort unzählige staatliche Unternehmen, die schließlich unter dem Dach der China Aviation Industry Corporation (bzw. Aviation Industries of China – AVIC) zusammengefasst wurden und über die Jahrzehnte durchaus Erfahrungen im Flugzeugbau sammeln konnten. Dies geschah zumeist im Rahmen von Lizenzfertigungen ziviler und vor allem militärischer Produkte normalerweise sowjetischen Ursprungs, wobei – wie im Fall der Boeing-707-Kopie Y-10 – notfalls auch ohne entsprechende Erlaubnis nachgebaut wurde. Kooperationen mit westlichen Herstellern verliefen dagegen in der Vergangenheit oftmals enttäuschend. Das mit großen Erwartungen gestartete „Trunkliner“-Programm zur Lizenzfertigung von McDonnell Douglas MD-80 und MD-90 lieferte – vorsichtig ausgedrückt – Flugzeuge, die niemand haben wollte, und das gemeinsam mit Airbus betriebene AE31X-Projekt wurde wieder begraben, bevor es richtig begonnen hatte.

      Als Zulieferer für Airbus und Boeing sind chinesische Firmen dagegen mittlerweile begehrte Partner, und die Einrichtung von Endmontagelinien für Embraer ERJ 145 und A320 verdeutlicht, dass das Vertrauen in die Fähigkeiten der dortigen Unternehmen gewachsen ist. Nachdem in jüngster Zeit einige militärische und zivile Programme, beispielsweise die Weiterentwicklung der Antonow AN-24 zur Y-7 und schließlich zur MA60 oder das Zubringerflugzeug Y-12, erfolgreich in Eigenregie realisiert wurden, ist man in China zuversichtlich, nun auch in größerem Maßstab auf dem Zivilmarkt reüssieren zu können. Zwar kommt der Plan, mit der ARJ21 eine eigene Regionaljetfamilie auf den Markt zu bringen, trotz des 2008 erfolgten Jungfernfluges und der – nach vielen Verzögerungen – Ende 2014 erteilten Zulassung nicht so recht voran. Dennoch arbeitet man in China mit dem Standardrumpfflugzeug C919 und – gemeinsam mit Russland – dem Großraum-Langstreckenjet CR929 unverdrossen bereits an den nächsten ambitionierten Vorhaben.

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      Zu den in der Volksrepublik China gefertigten Verkehrsflugzeugen gehört die Y-7, eine Weiterentwicklung der Antonow AN-24.

       A220Airbus

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      Erster Betreiber des Airbus A220-100 (damals noch CSeries CS100) war im Juli 2016 die Swiss.

      „Delta Air Lines übernimmt ihre erste A220“, lautete die Überschrift über einer Airbus-Pressemitteilung vom 26. Oktober 2018. Eine typische Verlautbarung des europäischen Herstellers, könnte man meinen. Doch das gilt nur bedingt, denn nicht überall, wo Airbus draufsteht, ist auch Airbus drin. Zwar wird die A220 inzwischen in der Tat von Airbus vermarktet; doch eigentlich handelt es sich bei ihr um eine Entwicklung des kanadischen Unternehmens Bombardier.

      Seit Jahrzehnten wird der Verkehrsflugzeugmarkt von ganz wenigen Herstellern dominiert. Wer ein Passagierflugzeug mit 100 und mehr Sitzplätzen bestellen wollte, hatte zumindest im westlichen Teil der Welt in den vergangenen gut 20 Jahren die Wahl zwischen genau zwei Anbietern – Airbus und Boeing. Doch diese für die beiden Hersteller äußerst angenehme Situation sollte sich nach dem Willen Bombardiers ändern, denn die Kanadier zielten mit ihrer CSeries ganz konkret auf einen Markt, den die beiden Großen bislang als ihre Domäne betrachten. Vordergründig wollte Bombardier mit der neuen Flugzeugfamilie, die in zwei Basisversionen mit 110 beziehungsweise 130 Sitzen angeboten wurde, in die Jahre gekommene Muster wie BAe 146/Avro RJ, Fokker 100 oder DC-9 ablösen. Doch genau dafür hatten Airbus und Boeing eigentlich die Muster A318/A319 und 737-600/700 im Programm. Die allerdings sind als geschrumpfte Version der jeweils etwa 150-sitzigen Ausgangsmodelle A320 und 737-800 für den angepeilten Markt etwas schwer und damit nicht wirklich wirtschaftlich zu betreiben. Wer mit einem Flugzeug für etwa 100 bis 150 Passagiere reüssieren will, so die Bombardier-Überzeugung, muss den Rumpfquerschnitt derart wählen, dass nicht etwa vier (wie bei Embraers E-Jets) oder sechs (A318, 737-600) Sitze pro Reihe untergebracht werden können, sondern fünf – so wie es auch bei DC-9 und Fokker 100 der Fall ist.

       A220-100

      Erstflug – 16. September 2013

      Länge – 35,00 m

      Spannweite – 35,10 m

      Höhe – 11,50 m

      Rumpfdurchmesser – 3,70 m

      Passagiere – 110–125

      Max. Abfluggewicht – 58.513 kg

      Reichweite – 5.463 km

      Max. Reisegeschwindigkeit – Mach 0,82

      Antrieb – PW1500G

      Schub – 2 x 84,1-103,6 kN

      Bestellungen – 94

      Wichtige Kunden – Lufthansa, Delta

      Bereits 2004 hatte der kanadische Hersteller einen ersten Anlauf unternommen, die CSeries mit den Modellen C110 und C130 auf den Markt zu bringen, dieses Unterfangen aber Ende Januar 2006 mangels Kundeninteresse wieder auf Eis gelegt und stattdessen mit der CRJ1000 einen „Fast-Hundertsitzer“ mit vier Sitzen pro Reihe entwickelt. Genau ein Jahr später kündigte man an, das Vorhaben CSeries doch weiter zu verfolgen. Im November 2007 wurde der neue „Geared Turbofan“ (GTF), das heutige PW1000G, von Pratt & Whitney als alleiniger Antrieb