Der Gesang des Todes. Anne Gold. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anne Gold
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783724523086
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      Anne Gold

      Der

      GESANG

      des Todes

      Friedrich Reinhardt Verlag

      Alle Rechte vorbehalten

      © 2018 Friedrich Reinhardt Verlag, Basel

      Lektorat: Claudia Leuppi

      Gestaltung: Bernadette Leus

      Illustration: Tarek Moussalli

      eISBN 978-3-7245-2308-6

      ISBN der Printausgabe 978-3-7245-2295-9

      Der Friedrich Reinhardt Verlag wird

      vom Bundesamt für Kultur mit

      einem Strukturbeitrag für die Jahre

      2016–2020 unterstützt.

       www.reinhardt.ch

       www.annegold.ch

       Liebe ist die beständigste Macht der Welt.

      Martin Luther King

      Inhalt

      1. Kapitel

      2. Kapitel

      3. Kapitel

      4. Kapitel

      5. Kapitel

      6. Kapitel

      7. Kapitel

      1. Kapitel

      Von Weitem drangen Stimmen ans Ohr von Kommissär Francesco Ferrari. War das nicht der Schrei einer Frau? Doch ganz bestimmt. Eine tiefe Männerstimme schmetterte ihr entgegen. Sie wird bedrängt, sie ist in Not! Ich muss ihr helfen.

      «Wach sofort auf!», Monika schlug ihrem Lebenspartner den Ellbogen in die Rippen. «Du bist so was von peinlich. Fehlt nur noch, dass du schnarchst.»

      «Au! Was … wie? Ich … ich habe gar nicht geschlafen.»

      Die Zuschauer applaudierten, Ferrari klatschte höflich mit. Warum schleppt sie mich auch immer wieder an irgendwelche langweiligen Anlässe? Und erst noch zu einer Wagner-Marathonaufführung, das ist eine reine Qual. Puh! Ja, Olivia Vischer, die Erbin des milliardenschweren Pharmakonzerns, hat die Elite von Basel eingeladen. Aber jetzt mal ehrlich, die Leute kommen einzig und allein an diese Benefizveranstaltungen, um mit Olivia gesehen und fotografiert zu werden und mit etwas Glück an ihrer Seite in den sozialen Medien zu erscheinen. Ah, was sehe ich da?! Mein verehrter Schulfreund Yvo Liechti, seines Zeichens Stararchitekt und Lover meiner Kollegin Nadine Kupfer, versucht das Gähnen zu unterdrücken. Er ist bestimmt auch eingeschlafen. Die Zuschauer erhoben sich zu Standing Ovations. Auch das noch.

      «Na, was ist, Schlafmütze? Aufstehen! Diese Inszenierung war wirklich sensationell.»

      Mürrisch erhob sich der Kommissär und versuchte, in den Klatschrhythmus der frenetisch applaudierenden Zuschauer einzustimmen.

      «Bravo! Bravo!»

      So, das reicht jetzt langsam. Draussen im Foyer gibts bestimmt Champagner, vielleicht sogar noch einige Häppchen. Ferrari schaute sich ungeduldig um, doch das Publikum war nicht mehr zu bremsen. Die Zuschauer trampelten wild mit den Füssen auf den Boden. Jetzt übertreiben sie es aber endgültig, meine sind eingeschlafen und mein Hinterteil auch.

      «Wag es nicht, dich hinzusetzen!», zischte Monika.

      «Schon gut. Ich klatsche ja wie verrückt.»

      Ferrari schielte zu Yvo, der vor Begeisterung raste.

      «Heuchler!», flüsterte er ihm zu.

      Yvo Liechti lächelte verschmitzt, konnte aber nur mit Mühe das Gähnen unterdrücken. Langsam brachen die Bravo-Rufe ab und die ersten Zuschauer drängten nach draussen. Geschafft! Endlich ist der Mist vorbei. Ferrari streckte sich ausgiebig, was ihm diesmal einen Handkantenschlag von Nadine eintrug.

      «Spinnst du?!»

      Nicht genug, dass ich mir dieses Gekrächze anhören muss, jetzt werde ich auch noch von allen Seiten malträtiert. Hoffentlich ist wenigstens der Champagner gut. He, was ist denn das? Keine Häppchen? Kein Champagner?

      «Hier!», Monika drückte ihm die Garderobennummer in die Hand. «Wenn du mich schon während der Oper zur Lachnummer machst, dann spiel wenigstens jetzt den Kavalier und hol mir meinen Mantel, Schatz!»

      «Lass das. Ich mag es nicht, wenn du mich ins Ohr kneifst.»

      «Und ich hasse es, wenn du mich im Theater vor allen blossstellst», fauchte sie.

      Schon gut. Es wird wohl besser sein, wenn ich mich in die Reihe mit all diesen aufgeblasenen Typen stelle, die hochtrabend über die Aufführung diskutierten. Sensationell. Grossartig. Einmalig. Ein Meilenstein in der Operngeschichte. Eine sehr moderne Wagner-Inszenierung. Klassik und Moderne miteinander vereint. Und erst die Hauptdarsteller, diese Stimmen. Sie gehen einem durch Mark und Bein. Dass ich nicht lache. Mürrisch nahm Ferrari den Mantel in Empfang.

      «Und, wie hat es dir gefallen, Francesco?», erkundigte sich Olivia beim Verlassen des Theaters.

      «Na ja, es war etwas lang.»

      «Das sind Wagner-Opern immer.»

      «Viel hast du ja nicht mitbekommen.»

      «Ich muss schon bitten, Nadine. Wenn jemand für eine Sekunde die Augen schliesst, heisst es noch lange nicht, dass er eingeschlafen ist. Was gibts denn da zu lachen, Yvo? Du siehst auch etwas müde aus.»

      «Nice try, aber es gelingt dir nicht, Yvo den Schwarzen Peter zuzuschieben. DU warst kurz davor, vom Stuhl zu rasseln.»

      «Nun hört aber auf. Lasst Francesco in Ruhe. Mir war es ehrlich gesagt auch zu lang, Wagner hin oder her. Diese Maria Racco hat wirklich eine sensationelle Stimme.»

      «Nur brauchte sie drei Stunden, um endlich mit einem Schrei in die ewigen Jagdgründe einzugehen. Dieser Lohengrin hätte das verkürzen und schon nach eineinhalb Stunden auf seinem Schwan davonreiten können. Elsa tot, aus das Drama», kommentierte der Kommissär und wunderte sich, dass ihn die drei Damen wie den Leibhaftigen in Person anschauten. «Was ist denn jetzt schon wieder?»

      «Da bietet uns Olivia ein einmaliges Schauspiel …»

      «Ha! Einmalig ist die richtige Bezeichnung, denn ein zweites Mal kriegt ihr mich nicht dazu.»

      «… und zum Dank ziehst du alles ins Lächerliche.»

      «Moment mal! Yvo hat auch …»

      «Steh wenigstens dazu, du Kulturbanause, und schieb ja nichts auf Yvo.»

      «Also bitte, Monika. Ich bin doch hier nicht der Depp vom Dienst. Ich hocke mir auf diesen verdammt unbequemen Stühlen meinen Allerwertesten platt – sicher irgendwelche Designerstücke von einem ach so weltbekannten Idioten, der sich jedes Mal vor Freude in die Hose macht, wenn er sich daran erinnert, dass er uns für eine oder zwei Millionen diese Stühle angedreht hat – höre mir stundenlang das Gejaule einer Operndiva an, die drei Stunden braucht, um zu sterben, allein dafür müsste man sie abmurksen, bin mit Yvo einer Meinung und über wen prasselt der ganze Frust runter?»

      «Frust?»

      «Schaut euch doch an. Ihr seht nicht mehr taufrisch aus, meine Damen! Die drei, nein mit euren heuchlerischen Bravo-Rufen und dem peinlichen Gestampfe dreieinhalb Stunden haben euch den Rest gegeben.»

      «So, so!», kam es einstimmig vom Emanzenchor zurück.

      «Ja,