Was mich umtreibt. Galen Strawson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Galen Strawson
Издательство: Bookwire
Серия: Oktaven
Жанр произведения: Афоризмы и цитаты
Год издания: 0
isbn: 9783772544163
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      GALEN STRAWSON

      Was mich umtreibt Tod, Freiheit, Ich …

      Philosophische Essays

      Aus dem Englischen

      von Wera Elisabeth Homeyer

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      Inhalt

       Vorwort

       Einleitung

       1Das Bewusstsein vom Ich

       2Ein Irrtum unserer Zeit

       3Ich habe keine Zukunft

       4Alles eine Frage des Glücks

       5Wie man ist, dazu kann man sich nicht machen

       Ein Gespräch mit Tamler Sommers

       6Die dümmste Behauptung

       7Wahrhafter Naturalismus

       8Das ungeschichtliche Leben

       9Two Years’ Time

       Anmerkungen

      Vorwort

      Die meisten der vorliegenden Arbeiten sind Versuche, Gedankengänge besser darzulegen, mit denen ich mich ursprünglich an ein Publikum professioneller Philosophen gewandt hatte. Den ersten Essay schrieb ich 1995, den letzten 2016. Zwei Essays erschienen im London Review of Books («Das Bewusstsein vom Ich» 1996 und «Wahrhafter Naturalismus» 2013), weitere zwei in The Times Literary Supplement («Alles eine Frage des Glücks» 1998 und «Ein Irrtum unserer Zeit» 2004). «Wie man ist, dazu kann man sich nicht machen» erschien zum ersten Mal im März 2003 in The Believer; thematisch stimmt dieser Essay zum Großteil mit «Alles eine Frage des Glücks» überein, er ist jedoch weniger formal. «Die dümmste Behauptung» ist eine Kurzfassung des 2017 am Wolfson College in Oxford gehaltenen Isaiah Berlin-Vortrags unter dem Titel «A Hundred Years of Consciousness: A Long Training in Absurdity». «Das ungeschichtliche Leben» wurde für die von Zachary Leader herausgegebene Sammelschrift On Life-Writing verfasst, die 2015 bei Oxford University Press erschienen ist. Eine Kurzfassung von «Ich habe keine Zukunft» erschien in Philosophy Now im Jahr 2007. «Two Years’ Time» wurde 2016 in der Zeitschrift Areté unter dem Titel «Whisper, Memory» veröffentlicht.

      Die meisten Essays habe ich geringfügig überarbeitet und Zitate aus anderen Arbeiten übernommen. Sie sind nicht zusammenhängend, stehen aber im Hinblick auf einige wichtige Aspekte in einer äußerst nützlichen Beziehung zueinander. Mein besonderer Dank gilt Edwin Frank bei New York Review Books, der mich dazu ermuntert hat, die Essays zusammenzustellen und gemeinsam in einem Band zu veröffentlichen. Thematisch überschneiden sie sich in gewissen Punkten direkt, was sicherlich stören würde, wäre das Buch dazu bestimmt, an einem Stück gelesen zu werden; das ist es aber nicht. Die Quellenangaben zu den zahlreichen Zitaten liefere ich am Ende des Buches.

      Vor zwanzig Jahren waren Arbeiten zu breit angelegten Themen rar und oftmals schwer zugänglich. «Things are different today» («Heute sehen die Dinge anders aus»), um mit Mick Jaggers zeitlosen Worten zu sprechen. Bulletins über den Tod, die Ewigkeit, das Bewusstsein, die Willensfreiheit, die Liebe, das Gedächtnis, die Wahrheit, die Existenz, das Selbst und den Kosmos treffen täglich in den E-Mail-Accounts ein. Viele von ihnen sind mitreißend, fundiert und kenntnisreich. Manchmal fühlt man sich allerdings förmlich überschwemmt. «Es gibt einfach zu vieles, um darüber nachzudenken.» Das von Saul Bellow beklagte «schwachsinnige Inferno» der Mainstream-Kultur ist schon schlimm genug, das sophistizierte Dampfbad sofort verfügbarer Hochkultur ist nicht immer besser. Steigt der Druck, gilt es noch immer, so seltsam restaurativ dies auch erscheinen mag, sich der Worte zu erinnern, die Descartes 1642 schrieb: «Es ist dem Individuum unmöglich, die große Anzahl neuer Bücher zu studieren, die jeden Tag veröffentlich werden.»

      Ich habe mich mit vielen, vielen Menschen unterhalten oder mit ihnen korrespondiert. Sie haben mir geholfen, über diese Themen nachzudenken. Darunter Miri Albahari, Andrea Ashworth, David Auerbach, Anita Avramides, Julian Barnes, Barry Dainton, Daniel Dennett, Rosemary Dinnage, Francis Duncan, Owen Flanagan, Jerry Fodor, Helen Frowe, Rebecca Goldstein, Mark Greenberg, Simon Halliday, Paul Harris, Aaron Hauptman, Robyn Hitchcock, Mark Johnston, Jean Knox, Robert Kuhn, Douglas MacLean, Avishai Margalit, Annalena McAfee, Ian McEwan, Michelle Montague, Iris Murdoch, Thomas Nagel, Redmond O’Hanlon, Derek Parfit, David Pears, Philip Pettit, Antonia Phillips, Amélie Rorty, John Ryle, Marya Schechtman, Claude Silvestre, Michael Smith, David Sosa, Patrick Stokes, P. F. Strawson, Charles Taliaferro, Rosemary Twomey, Samantha Vice, Kathy Wilkes, Susan Wolf, Paul Woodruff, und Dan Zahavi.

      Ich danke Susan Barba, Daniel Drake, Sara Kramer sowie Gregory Nipper für ihre professionelle Hilfe bei der Nachbearbeitung und in den verschiedenen Phasen des Korrekturlesens.

      Einleitung

      Manche Menschen bekommen schon sehr früh einen Begriff von Unendlichkeit. Vor allem bei kleinen Kindern mit einer Vorliebe für Zahlen ist dies durchaus nicht ungewöhnlich – erst kürzlich konnte ich das bei einem meiner Enkel beobachten. Ein Leben lang bleibt die Unendlichkeit verstörend für uns Menschen, insbesondere, wenn sie als Ewigkeit verstanden wird und, was unweigerlich geschieht, zum Gedanken an den Tod weiterführt. Doch gerade als Kinder trifft uns diese Erkenntnis mit großer Wucht, wie ich aus eigenem Erleben bestätigen kann. Obwohl es keinen Todesfall in meiner Familie gegeben hatte und meine Freundin aus Kindertagen (mit fünf Jahren hatten wir uns «verlobt») auch erst sehr viel später durch einen tragischen Unfall ums Leben kommen sollte, hatte ich seit meinem vierten Lebensjahr panische Angst vor dem Tod. Als ich mit 22 Monaten ganze drei Tage ohne Besuchserlaubnis meiner Familie im Krankenhaus verbringen musste, kam mir dies schier unendlich vor. (Es half auch nichts, dass man mir sagte, dass meine Eltern sonst ernstlich erkranken könnten.) Das areligiöse Umfeld, in dem ich aufwuchs, war für eine Bewältigung dieser Angst auch nicht gerade zuträglich. Am schlimmsten jedoch litt ich in meiner Kindheit unter dem Umstand, dass ich kaum schlafen konnte – zum einen, weil ich ein ungemütliches Armeebett im Dachzimmer eines großen, kalten Hauses mein Eigen nannte, vor dessen Tür sich obendrein ein feuerverzinktes Ungetüm von einem Wassertank befand, zum anderen, weil alle Übrigen weit weg waren. Mein Bruder und meine Schwester schliefen in dem Stockwerk unter mir und meine Eltern sogar zwei Treppenfluchten (21 Stufen und noch einmal 16 Stufen) tiefer. So lag ich Nacht für Nacht allein in der Dunkelheit wach und dachte über den Tod nach, über die zukünftige ewig währende Nicht-Existenz meiner selbst, und noch viel schlimmer, meiner gesamten Familie. (Auf S. 93 werde ich kurz darauf eingehen.) Sehr viel später habe ich während einer kurzen Psychotherapie meinem Therapeuten gegenüber geäußert, ich sei «mit dem Tod aufgewachsen», was etwas melodramatisch klingt, aber in gewisser Weise durchaus zutrifft. Bis ins junge Erwachsenenalter hinein beschäftigte mich das Thema Tod nachhaltig. Der Friedhof St. Giles lag nur ein paar hundert Meter von unserem Haus in Oxford entfernt. Und obwohl ich ja wusste, dass es für