Old Hansen oder 7 Tage eines Mannes aus der Nachbarschaft. H.R. Sebastian. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: H.R. Sebastian
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783746991177
Скачать книгу
ction>

      

       H.R. Sebastian

       Old Hansenoder 7 Tageeines Mannesaus derNachbarschaft

      © 2018 H.R. Sebastian

      Verlag und Druck: tredition GmbH, Hamburg

      ISBN

      Paperback: 978-3-7469-9115-3

      Hardcover: 978-3-7469-9116-0

      e-Book: 978-3-7469-9117-7

      Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

      Für alle, die mich in meinem Leben begleiten, mir

      Kraft und Liebe schenken und somit unwissentlich

      Ihren Anteil an diesem Buch haben,

      Danke

      Vorwort

      Nichts ist vollkommen, vor allem nicht die Berührungen mit dem Leben anderer Menschen. Wir können froh sein, wenn wir in unserem eigenen Leben ein bis zwei wahre, lange, intensive Berührungen mit Menschen haben, die uns so aus der eigenen Bahn werfen, dass wir auf einer dritten landen. Wie können wir andere Menschen erforschen, wenn wir für uns selbst ein unerforschtes Gebiet bleiben?

      Jedes Leben ist bruchstückhaft, keines ist am Ende gespickt mit verlorenen Details, sondern eher eine Melange aus Lücken und großen Feldern, die mal bunt erblühen oder im brachen Grau liegen.

      Hansens Geschichte bemüht sich nicht um eine genaue Widerspiegelung der heutigen Gegenwart, sondern soll einfach einen Menschen darstellen, der in seiner gegenwärtigen Situation lebt und für das ganz Große keinen Blick übrig hat, weil er mit seiner kleinen Welt zu beschäftigt ist, so wie es jedem Einzelnen jeden Tag ergeht. Erst wenn in der eigenen, kleinen Welt alles in Ordnung ist, kann man sich auch an deren Grenzen wagen.

      Tag 1, Sonnabend, Der Weg ins Alleinheim

      Endlich war sie gestorben. Hansen fiel über die Leiche seiner Frau her, um die letzte Wärme aufzunehmen, die sie verströmte. So lange hatte es gedauert. Endlich war es geschehen. Sie war gestorben. Endlich, endlich, endlich.

      Hansens Schmerzen verschwanden mit jeder Minute, die verging, seit die Ärzte ihm den ausgefüllten Totenschein übergeben hatten. Nun war es amtlich bestätigt. Sie würde nicht mehr zurückkommen. Und sein Herz lachte, es jauchzte vor Freude. Sie war tot, endlich, endlich, endlich.

      Er gönnte es ihr, denn genau wie er hatte sie seit sechs Jahren gelitten. Jetzt begann für beide eine friedliche Zeit. Hansen und seine Frau hatten sie herbeigesehnt. Doch immer standen ihnen die Entscheidungen anderer gegenüber, die der Kinder, der Ärzte, der Nachbarn, immer funkte jemand mit Moral dazwischen. Und schlimmer noch, die Gefühle der anderen.

      Sie selbst hatten schon vor fünf Jahren geplant ihrem Leben ein angenehmes Ende zu bereiten. Doch es war schwierig. Welcher Selbstmord einer Todkranken sieht nicht wie Mord aus? Hansen hatte sich belesen, meistens in irgendwelchen Büchern aus der Bibliothek, einmal quer durch alle Genres, aber alles war zu kompliziert. Er wollte seine Frau nicht aktiv töten, und seine Frau sich selbst auch nicht. Diese Art zu töten vermochte nur der Zufall. Doch wie konnte man ihn herbeirufen?

      Gern hätte Hansen es gekonnt seiner Frau etwas zu viel von den Medikamenten einzuflößen oder besser zu wenig, aber der Pflegedienst hatte alles im Blick, auch wenn der meist nur flüchtig war. Gründlich arbeitete er trotzdem, da konnte man nicht meckern.

      Und so fügten sich Hansen und seine Frau in ihr Schicksal, das sie leiden ließ. Sechs ausgedehnte Jahre lang und dabei waren sie schon überdurchschnittlich alt gewesen, als Hansens Frau ihre Diagnose bekam. Sie hatten sich angesehen, waren aus der Praxis marschiert, um spazieren zu gehen, einfach um einen Weg zu nehmen, den sie schon kannten, den sie beide so oft beschritten hatten, ihre tägliche Runde, einen sicheren Weg, der sich langsam auflöste.

      Am Ende stand der Entschluss es mit der Medizin zu versuchen, wohl vor allem aus Angst. Hansen wollte nicht wirken als wäre er froh darüber, dass sie sterben würde, und sie, weil sie ihn nicht alleine lassen wollte. Kurzum stand ihnen ihre Liebe im Weg, das verdammte Glück, das sie seit siebzig Jahren einfach nicht los lassen wollte. Und falls es mal Probleme in dieser langen Zeit gab, dann hatte es meist nur etwas mit Geld zu tun und so waren es eigentlich keine.

      Sie ergriffen also die Möglichkeit, die man ihnen bot und rutschten unversehens in die erste wirkliche Herausforderung ihres Lebens. Vertrauensvoll zu Menschen waren sie schon immer.

      Also, was sollte schief gehen?

      Hansen erinnerte sich nicht mehr an die vergangenen Jahre. Er freute sich nun auf das Kommende. Zum ersten Mal würde eine Woche damit beginnen wie er es sich stets herbei gesehnt hatte. Ein Bild hing in seiner Galerie, der Galerie in seinem Kopf. Hansen hatte sie tief in seinen Kopf gebaut und immer wenn die Tage besonders schlimm waren, setzte er sich in sie hinein und betrachtete das Bild an dem er so lange gemalt hatte.

      Hansen trat vom Bett zurück, besser gesagt, zog man ihn. Zwei Pfleger nahmen das Bett samt seiner Insassin mit und erklärten kurz was mit seiner Frau nun passierte. Abstriche, Waschen, Sarg, Krematorium, Friedhof. Er nickte nur, lächelte und versuchte daraus kein Lachen werden zu lassen. Am Ende hätte man ihm doch noch Mord vorwerfen können, so kniff er sich kräftig in den rechten Oberschenkel und legte eine betreten, dreinschauende Maske auf sein Gesicht.

      Ein letztes Mal sah er seine Frau und er hätte es lieber gesehen, wie sie in einer venezianischen Gondel aus dem Krankenhaus direkt in den Himmel oder den Ort des Paradieses geschippert wäre. Doch der Pragmatismus verbot solche Wünsche, wer hätte das auch bezahlen wollen? Plötzlich stand ein Arzt vor ihm und redete auf ihn ein. Am liebsten hätte Hansen ihm eine gescheuert, dafür dass er nicht den Mumm gehabt hatte seiner Frau den Hahn eher abzudrehen. Er wusste nicht genau, ob die Geräte und Medikamente heutzutage heilen sollen oder den Patienten schröpfen. Hansen plädierte innerlich für letzteres, die Geschichte seiner Frau sprach eindeutig für seine Vermutung. Niemand darf mehr sterben, demnächst wird man sich noch seinen Todestag aussuchen dürfen. Mitspracherechte überall.

      Das alles bereitete Hansen nun doch wieder Kummer und er stand inmitten des Krankenzimmers, dass ein schrecklicher Todesort war.

      Irgendjemand schrie ihn an.

      «Papa, was machst du denn? Wieso schlägst du den Arzt?»

      «Lassen sie gut sein, er steht wohl unter Schock. Ich komm dann später noch mal zu ihnen.»

      «Entschuldigung. Bist du verrückt? Du kannst doch nicht dem Arzt die Fresse polieren. Sag mal hörst du mich überhaupt? Papa?»

      Hansen hörte und seine Hand brannte noch immer von dem Schlag ins Gesicht des Arztes, der ihm schließlich doch herausgerutscht war, aber er wollte nicht mit seinen Kindern sprechen, von denen er sich immer mehr Menschlichkeit erhofft hatte. Allein es ging ums Geld und da hören Beziehungen plötzlich auf. Also schwieg er weiter und bereitete seinen Kindern zusätzliches Kopfzerbrechen. Eigentlich hatte er das Gefühl, dass er gehen müsste, also ging er los und verließ das Krankenhaus. Er machte keine Umwege, sondern ließ sich mit einem Taxi nach Hause fahren. Hansen hatte einen Plan und mit diesem ging er auf den Dachboden seines Hauses.

      Der Speicher war fast leer. Zu Beginn der Krankheit seiner Frau hatten sie sich schon darum gekümmert, alles Gesammelte loszuwerden. Manches war Müll, manches verschenkbar, manches zum Vertrödeln. Hansen hatte dafür gesorgt, dass alles so schnell wie möglich verschwand. Jetzt war er froh darüber, dass er diese Aufgabe schon so früh erledigt hatte. Nun gab es nur noch die wenigen Sachen seiner Frau, die er in Kisten