Kaspar Panizza
Saukatz
Frau Merkel und der Kommissar
Impressum
Bisherige Veröffentlichungen im Gmeiner-Verlag: Grantlkatz (2020), Hüttenkatz (2019), Glückskatz (2019), Teufelskatz (2017), Saukatz (2016)
Personen und Handlung sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen
sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Besuchen Sie uns im Internet:
© 2016 – Gmeiner-Verlag GmbH
Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch
Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0
Alle Rechte vorbehalten
5. Auflage 2020
Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt
Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von: © TaoTina/Fotolia.com
ISBN 978-3-8392-5128-7
Widmung
Vielen Dank an meine liebe Freundin Bea Fischer, für ihre unermüdliche Unterstützung.
Für Lola, die immer durch meine Gedanken schlich und mich zu diesen Buch inspiriert hat.
Montag
Genervt nahm Steinböck die letzten Stufen.
Verdammt, dritter Stock ohne Lift, das muss dann schon eine Traumwohnung sein, dachte er und klingelte an der Wohnungstür. Es dauerte fast eine Minute, bis die Tür schwungvoll geöffnet wurde.
»Sie sind spät«, raunzte ihn eine aufgetakelte Wasserstoffblonde an, die die 50 schon deutlich überschritten hatte, und drückte ihm ein Blatt Papier in die Hand.
»Hier, füllen Sie das aus. Ich hoffe, Sie haben einen Stift dabei.«
»Sind Sie die Maklerin?«, fragte er irritiert.
»Natürlich, oder sehe ich wie die Lottofee aus?«, entgegnete sie schnippisch. Steinböck musterte sie noch einmal von oben bis unten.
»Nein, ganz bestimmt nicht. Aber haben wir uns nicht schon mal gesehen?«
»Und wo sollte das gewesen sein?«, fragte sie genervt.
»In der Trio Bar. Haben Sie da nicht vor Jahren an der Stange getanzt?«
»Das ist lange her«, sagte sie kleinlaut. »Füllen Sie jetzt das Formular aus, ich muss mich um die anderen kümmern.«
Sie drehte sich abrupt um und ging den Gang entlang.
»Zumindest die Figur erinnert noch an ihre besseren Zeiten«, murmelte er.
Er war auf Wohnungssuche. Man hatte ihn kurzfristig in die Stadt versetzt. Und das war sein erster Maklertermin. Jetzt wusste er, warum die neuen Kollegen so hämisch gegrinst hatten. In der Wohnung waren mindestens 30 Leute, von denen jeder auf seine Weise versuchte, das Formular auszufüllen. Glücklich diejenigen, die eine Zeitung oder Ähnliches als Unterlage dabei hatten. Die meisten jedoch drückten das Blatt gegen die Wand oder eine Fensterscheibe. Steinböck schob die Tür zum Bad weiter auf. Auf der zugeklappten Toilette saß bereits eine schwangere Frau, dafür war auf dem Badewannenrand noch ein Platz frei. Er setzte sich neben einen jungen Mann, der nur kurz aufsah, dann aber eifrig weiterschrieb. Steinböck suchte vergeblich nach seiner Lesebrille. Also hielt er den Zettel so weit von sich, bis er den Text einigermaßen lesen konnte. Die Schwangere grinste.
Leise vor sich hin murmelnd überflog er den Text.
»Verheiratet, ledig, Bankauskunft, polizeiliches Führungszeugnis, selbstständig – wenn nein, Führungszeugnis des Arbeitgebers. Sind Sie politisch aktiv? Betreiben Sie eine gefährliche Sportart? Wären Sie bereit, einen Teil des Mietzinses im Voraus zu zahlen? Wenn ja, drei Monate, sechs Monate oder zwölf Monate.« Steinböck begann laut zu fluchen. »Was soll die verdammte Scheiße?« Seine Stimme wurde immer lauter.
»›Betreiben Sie eine gefährliche Sportart?‹ Haben die Angst, dass ich mir beim Kegeln das Kreuz breche und dann meinen Rollstuhl im Treppenhaus parke?«
»Genau das«, flüsterte der junge Mann. »Sie machen das heute wohl zum ersten Mal.«
»Was heißt zum ersten Mal!«, fuhr Steinböck ihn laut an. »Ich habe in meinem Leben schon zig Wohnungen gemietet, und noch nie hat mir jemand so eine gequirlte Scheiße untergejubelt.«
Wütend hob er das Blatt Papier hoch, zerknüllte es und warf es hinter sich in die Badewanne. Der junge Mann wich verängstigt zurück. Steinböck blickte ihn verwundert an. Dann grinste er.
»Schon gut, Kleiner, war nicht so gemeint. Viel Glück bei der Wohnungssuche.« Dann stand er auf und nickte der Schwangeren zu, die vor Schreck schon einmal probeweise eine Wehe abgeatmet hatte. Er machte sich auf den Weg zur Ausgangstür, wobei er ein junges Pärchen unsanft zur Seite drückte. Die Wasserstoffblonde, die offensichtlich auf Steinböcks kleinen Wutanfall aufmerksam geworden war, folgte ihm rasch und erwischte ihn gerade noch, bevor er die Wohnung verlassen konnte.
»Gibt es Probleme?«
»Und ob«, dabei deutete er auf die Zettel in ihrer Hand.
»Ist nicht meine Idee«, sagte sie. »Die Macht des Vermieters. Haben Sie eine Visitenkarte für mich? Ich ruf’ Sie an, wenn ich etwas Passendes für Sie habe.«
»Wieso gerade mich?«, fragte er, wobei er ihr eine seiner Karten gab.
»Damals, als ich an der Stange tanzte, die Razzia. Sie haben mich da rausgehalten. Leila vergisst nie. Ich melde mich, sobald ich etwas habe, Kommissar Steinböck.«
Dann schloss sie energisch die Tür hinter ihm.
Obwohl Steinböck sich rühmte, ein gutes Gedächtnis zu haben, konnte er sich partout nicht an diese Razzia erinnern. Na ja, eigentlich hatte er nur ein gutes Gedächtnis für Gesichter, und außerdem war die Sache fast 30 Jahre her. Damals arbeitete er noch bei der Sitte. Irgendwann hatte er sich für die Stelle bei der Mordkommission in Starnberg beworben, und da säße er heute noch, wenn, ja wenn da nicht diese Sache mit dem Minister gewesen wäre. Er hatte wirklich geglaubt, Recht setze sich gegen Politik durch. Ein Irrtum, wie er feststellte. Man hatte ihn einfach weggelobt, ihn befördert und zurück in die Hauptstadt versetzt. Ein klarer Aufstieg bei besserem Gehalt und Aussicht auf baldige Pensionierung. Er war gerade 50, und bei Gott, so schnell würden die ihn nicht loswerden. Zusätzlich war er eine imposante Erscheinung. Er war 185 Zentimeter groß, wog um die 100 Kilo und tat sich schwer, seinen Bauch zu verbergen. Die Haare, die ihm auf dem Kopf fehlten, glich er durch einen grau melierten Dreitagebart aus.
Im neuen Revier hatten sie ihm bisher noch keinen Fall übergeben, und außerdem war sein neuer Partner noch in der Kur.
Er solle sich doch erst mal akklimatisieren, meinte sein Vorgesetzter. Wenn er überlegte, dass er den Burschen vor 20 Jahren ausgebildet hatte. Aber Steinböck hatte sich vorgenommen, sich nicht ärgern zu lassen.
Als er endlich das Ende der Treppe erreichte und auf die Herzogstraße hinaustrat, lehnte er sich erst mal gegen die warme Hauswand und blinzelte in die Sonne. Schließlich griff er in die Brusttasche seines Tweedsakkos, holte ein Päckchen Schwarzer Krauser heraus und drehte sich geschickt eine Zigarette. Er registrierte, dass es hier einige Kneipen in unmittelbarer Nähe gab.
Tacco, Latino-Café, nicht schlecht, dachte er. Aber das wird wohl nichts werden, stellte er frustriert fest. Dann schlenderte