Kleine Romane und Novellen. Александр Дюма. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Александр Дюма
Издательство: Public Domain
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
isbn:
Скачать книгу
Alexandre

      Kleine Romane und Novellen

      Pascal Bruno

Aus dem Französischem übersetztvonWilhelm Ludwig WescheLeipzig, 1851Verlag von Christian Ernst Kollmann

      Gegen das Ende des Jahres 1834 bereitete ich mich zu einer Reise nach Sizilien vor.

      Ich machte mich daher an die Aufsuchung eines sizilianischen politischen Flüchtlings, Namens Palmieri, dem ich früher begegnet war, dessen Adresse ich aber verloren und der so eben zwei vortreffliche Bände Erinnerungen herausgegeben hatte, um mir über seine so poetische und so unbekannte Insel jene allgemeinen Auskünfte und jene besonderen Angaben zu verschaffen, welche im Voraus die militärischen Grenzen einer Reise stellen, als wir eines Abends in der Faubourg Montmartre No. 4 den General T. mit Bellini ankommen sahen, an den ich nicht gedacht hatte und den er mir zuführte, um meine Reiseroute zu vervollständigen. Man hat nicht nötig zu fragen, wie in unserer ganz künstlerischen Versammlung, in welcher oft das Rapier nur ein von der Feder oder dem Pinsel entliehener Vorwand war der Komponist der Somnambule und der Norma empfangen wurde. Bellini war in Catania geboren; das Erste, was seine Augen gesehen hatten, als sie sich öffneten, waren jene Wellen, welche, nachdem sie die Mauern Athens gebadet, melodisch an den Ufern eines andern Griechenlands ersterben, und diesen fabelhaften und altertümlichen Ätna, an dessen Abhängen noch jetzt nach achtzehn hundert Jahren die Mythologie Ovids und die Erzählungen Virgils leben. Bellini war daher auch eine der am meisten poetischen Naturen, die man irgend antreffen kann, selbst sein Talent, das man nur mit dem Gefühle würdigen und nicht mit der Wissenschaft richten muss, ist nur ein ewiger, wie eine Erinnerung süßer und melancholischer Gesang; ein Echo gleich dem, welches in den Wäldern und in den Bergen schlummert, und das kaum flüstert, so lange es nicht durch den Ruf der Leidenschaften und des Schmerzes geweckt wird. Bellini war daher der Mann, dessen ich bedurfte. Er hatte Sizilien noch jung verlassen, so dass ihm von seiner Geburtsinsel jene wachsende Erinnerung geblieben war, welche, fern von den Orten versetzt, wo es erzogen worden, das poetische Andenken des Kindes gewissenhafter Weise bewahrt. Syracus, Agrigent, Palermo entfalteten sich so vor meinen Augen: ein prachtvolles, damals mir unbekanntes und von dem Lichte seiner Einbildungskraft erleuchtetes Panorama; als er dann endlich von den topographischen Umständen zu den Sitten des Landes überging, über die ich nicht müde wurde, ihn zu befragen, sagte er zu mir:

      – Besonders aber vergessen Sie eines nicht, wenn Sie von Palermo nach Messina entweder zu Wasser oder zu Lande gehen werden. Kehren Sie in dem kleinen Dorfe Bauso an der Spitze des weißen Vorgebirges ein, dem Wirtshaus gegenüber werden Sie eine Straße finden, welche bergauf geht und die sich zur Rechten mit einem kleinen Schloss in Form einer Zitadelle endigt, an den Mauern dieses Schlosses befinden sich zwei Käfige, der eine leer, der andere mit einem Totenkopf, der seit zwanzig Jahren in ihm bleicht. Fragen Sie den ersten besten Vorüber kommenden nach der Geschichte des Mannes, dem dieser Kopf angehört hat, und Sie werden eine jener vollständigen Erzählungen erhalten, welche eine ganze Gesellschaft, von dem Gebirge bis zur Stadt, von dem Landmanne bis zum großen Herrn schildern.

      – Aber, antwortete ich Bellini, könnten Sie uns diese Geschichte nicht selbst erzählen? Nach der Art, mit welcher Sie davon sprechen, sieht man, dass Sie dieselbe tief in Ihr Gedächtnis gegraben haben.

      – Ich würde es mit Vergnügen tun, sagte er zu mir, denn ihr Held, Pascal Bruno, ist gerade in dem Jahre meiner Geburt gestorben, und ich bin als kleines Kind mit dieser, wie ich überzeugt bin, noch heute lebendigen Volkssage eingewiegt worden, aber wie wäre ich mit meinem schlechten Französisch im Stande, eine solche Erzählung zu machen?

      – Ist es nur das? antwortete ich, wir verstehen Alle Italienisch, sprechen Sie zu uns in der Sprache Dante’s, sie ist wohl so gut als eine andere.

      – Wohl an! es sei, erwiderte Bellini, indem er mir die Hand reichte, aber unter einer Bedingung.

      – Welche?

      – dass Sie bei Ihrer Rückkehr, wenn Sie die Örtlichkeiten gesehen, wenn Sie sich in Mitte dieses wilden Volkes und dieser pittoresken Natur wieder gestärkt haben werden, mir aus Pascal Bruno eine Oper machen.

      – Bei Gott! das ist eine abgemachte Sache, rief ich aus, indem ich ihm die Hand reichte.

      Und Bellini erzählte die Geschichte, welche man lesen wird.

      Sechs Monate nachher reiste ich nach Italien ab, ich besuchte Calabrien, ich landete in Sizilien, und das, was ich immer als den ersehnten Punkt, als das Ziel meiner Reise unter allen diesen erhabenen Erinnerungen ansah, war diese Volkssage, welche ich aus dem Munde des musikalischen Dichters gehört hatte, und die aufzusuchen ich achthundert Stunden weit herkam; endlich gelangte ich nach Bauso, ich sah das Wirtshaus, ich ging die Straße hinauf, ich erblickte die beiden eisernen Käfige, von denen der eine leer und der andere voll war.

      Dann kehrte ich nach einer Abwesenheit von einem Jahre nach Paris zurück; als ich mich nun des gegebenen Versprechens erinnerte, suchte ich Bellini auf.

      Ich fand ein Grab.

      I

      Es geht mit den Städten wie mit den Menschen, der Zufall leitet ihre Gründung oder ihre Geburt, und die topographische Stelle, auf welcher man die einen er» baut, die gesellschaftliche Stellung, in welcher die andern geboren werden, wirkt im Guten oder im Bösen auf ihr ganzes Dasein ein, ich habe so edle, stolze Städte gesehen, dass sie Alles hatten überragen wollen, was sie umgab, so dass kaum einige Häuser gewagt hatten, sich auf dem Gipfel des Berges zu erheben, auf den sie ihren Grundstein gelegt; sie blieben daher auch immer hochmütig und arm, indem sie ihre mit Zinnen versehenen und unaufhörlich von den Gewittern des Sommers und von den Stürmen wen des Winters gepeitschten Stirnen in den Wolken verbargen. Man hätte sie für verbannte Königinnen halten können, denen nur einige Höflinge in ihr Unglück gefolgt waren, und die es verschmähten, sich so weit herabzulassen, um von der Ebene ein Volk und ein Königreich zu verlangen. Ich habe kleine so bescheidene Städte gesehen, dass sie sich in den Grund eines Thales geflüchtet, dass sie an dem Ufer eines Baches ihre Höfe, ihre Mühlen und ihre Hütten aufgeführt hatten, dass sie, von Hügeln geschützt, welche sie vor der Hitze und vor der Kälte sicherten, dort ein unbekanntes und ruhiges Leben gleich dem jener Menschen ohne Feuer und ohne Ehrgeiz führten, die jedes Geräusch erschreckt, die jedes Licht blendet und für die es nur in dem Schatten und in der Stille ein Glück gibt. Es gibt andere, welche damit angefangen haben, ein armseliges Dorf an dem Ufer des Meeres zu sein, und die allmählich, indem sie kleine Schiffe den Barken und große Schiffe den kleinen Schiffen folgen sahen, ihre Hütten in Häuser und ihre Häuser in Paläste verwandelt haben, so dass jetzt das Gold von Potosi und die Diamanten Indiens ihren Häfen zuströmen, und sie ihre Dukaten klingen lassen und ihren Schmuck wie Emporkömmlinge zur Schau stellen, die uns mit ihren Equipagen bespritzen und uns durch ihre Bedienten beleidigen lassen. Endlich gibt es deren noch, welche sich anfangs in reicher behaglicher Weise auf lachenden Wiesen erhoben hatten, die auf bunten Blumenteppichen einhergingen, zu denen man auf launigen und pittoresken Fußpfaden gelangte, denen man ein langes und gedeihliches Schicksal prophezeit hätte, und die plötzlich ihr Dasein durch eine wetteifernde Stadt bedroht gesehen haben, die, an einer Heerstraße entstehend, Handelsleute und Reisende anzog und die arme Abgesonderte langsam wie ein junges Mädchen vergehen ließ, deren Quellen des Lebens eine unerwiderte Liebe versiegt. Deshalb fasst man Sympathie oder Widerwillen, Liebe oder Hass für diese oder jene Stadt, wie für diese oder jene Person; deshalb gibt man kalten und leblosen Steinen Beinamen, welche nur lebenden und menschlichen Wesen angehören; deshalb nennt man Messina die Edle, Syrakus die Treue, Girgenti die Prachtvolle, Tapani die Unbesiegliche, Palermo die Glückliche.

      In der Tat, wenn es eine auserkorene Stadt gibt, so ist es Palermo, unter einem Himmel ohne Wolken, auf einem fruchtbaren Boden in Mitte pittoresker Landhäuser gelegen, seinen Hafen einem Meere mit himmelblauen Wellen öffnend, im Norden von dem Hügel der heiligen Rosalie, im Osten durch das Kap Raferano beschützt, von allen Seiten mit einer Gebirgskette umgeben, welche die unermessliche Ebene einschließt, auf welchem sie steht, wie sich niemals eine byzantinische Odaliske oder ägyptische Sultanin in den cyrenäischen Wellen oder in denen des Bosporus spiegelt, oder wie es, mit dem Gesichte nach ihrer Mutter gewandt, die altertümliche Tochter Chaldäas tut. Es hat daher auch vergebens den Herrn gewechselt, seine Herren sind verschwunden und die Stadt Palermo