Der Pechvogel. Александр Дюма. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Александр Дюма
Издательство: Public Domain
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
isbn:
Скачать книгу
s (père)

      Der Pechvogel

       I.

      Genealogie, Geschichte und Physiologie des Franz Guichard, genannt Pechvogel

—–

      Ehe die Marne sich bei Charenton in die Seine ergießt, macht sie allerlei Wendungen, Drehungen und Biegungen, wie eine Schlange die sichs in der Sonne wohl sein läßt; sie streift am Ufer des Flusses hin der sie verschlingen soll, springt aber dann plötzlich ab und entflieht fünf Meilen weit. Endlich nähert sie sich ihm zum zweiten Mal, entfernt sich aber von Neuem, gleich als ob die keusche Najade nur schwer zu dem Entschluß käme ihre schattenreichen grünenden Ufer zu verlassen und ihre Smaragdenen Wasser mit der großen Pariser Gosse zu vermengen.

      In einer der bezeichneten Krümmungen bildet sie eine vollkommene Halbinsel deren Landenge den Flecken Saint-Maux einnimmt, und an welcher entlang die Dörfer Champigny, Chennevière, Bonoeil und Creteil mit ihren Gebieten sich hinziehen.

      Im Jahr 1831 gehörte diese Halbinsel beinahe ganz dem erlauchten Hause Condé. Sie war, wie schon der Name la Varenne (das Gehäge) anzeigte, einer der zahlreichen Vergnügungsorte dieser kriegerischen Familie, in welcher sich eine beinahe wahnsinnig; Liebhaberei für die Jagd vorn Vater auf den Sohn vererbte.

      Diese ganz specielle Familienneigung hatte zur Folge das; die Halbinsel Saint-Maux, trotz der starken Zunahme der Bevölkerung und der zahlreichen Neubauten in der übrigen Bannmeile, bis zum Jahr 1772 gänzlich verödet blieb. Die Hasen, Fasanen und Rebhühner lebten da, durch diesen breiten und tiefen Wassergürtel gegen Fallen, Schlingen und andere Wilddiebsapparate geschützt, lange Zeit in einer Ruhe die einige Aehnlichkeit mit dem friedsamen Dasein ihrer Stammesgenossen in den Urwäldern gehabt haben würde, wenn nicht von Zeit zu Zeit die prinzliche Flinte sie daran erinnert hatte daß sie, wenn, auch königlicher Wildpret, doch immerhin Wildpret waren.

      1793 wurde Varenne als Nationalgut verkauft; aber sein sandiger Boden, seine Wälder von verkrüppelten Birken und Eichen hatten für die Speculanten so wenig Reiz, das; der letzte Condé, als er 1814 aus der Emigration zurückkehrte, es noch verödeter als früher fand, denn wenn die Menschen es nicht in ihren colonisatorischen Wanderungen gestürmt hatten, so war dagegen die kleine befiederte und befellte Welt, die einst in seinen Ebenen und Forsten herumgekrabbelt unbarmherzig dein Niveau der Gleichheit unterworfen worden.

      Also im Jahr 1831 – mit diesen: bereits angeführten Datum beginnt unsere Geschichte – bildeten zwei oder drei vereinzelte Häuser, etliche Meierhöfe, verpachtet an einfältige Bauern die Getreide säten, Kaninchen wachsen sahen und Entschädigungen ernteten – sowie die Hütten der Forstwarte und des Fährmanns von Chennevière die einzigen Wohnungen auf der Halbinsel.

      Ueberdieß fristete eines dieser Häuser sein Dasein nur durch eine ganz besondere Gnade des Herrn Prinzen von Condé.

      Wir meinen das Haus des Franz Guichard, genannt Pechvogel

      Bevor wir erzählen auf welche Art Franz Guichard sich Grundbesitz an der Marne erworben, müssen wir ein paar Worte von seiner Person sprechen und einige Zweige seines Stammbaumes hinanklettern, denn Franz Guichard besaß einen solchen.

      Allerdings war derselbe nicht auf Pergament verzeichnet, nicht mit Arabesken geschmückt, er lief nicht in Blumen von Wappenschilden aus, er war weder von Cherin noch von Hozier beglaubigt. Nein, der Stammbaum des Franz Guichard beruhte recht und schlecht auf der Ueberlieferung, wie das Geschlechtsregister Abrahams; aber er war darum nichtsdestoweniger authentisch, denn er war gewissenhaft vom Vater auf den Sohn fortgepflanzt worden, mit der Aufgabe für den Letzteren jeder Generation ein neues Capitel beizufügen, und Alle hatten sieh dieser frommen Pflicht so getreulich entledigt, daß (Franz Guichard sagte es mit einem gewissen Stolz) gar viele Edelleute in große Verlegenheit kämen, wenn sie, was er mit der größten Zuversicht thun konnte, angeben müßten wie ihre Ahnherren seit nicht weniger als elf Menschenaltern gestorben sind.

      Ferner ist wahr daß die Guichards eine besondere Vorliebe für eine exceptionelle Todesart gehegt und ihr ganzes Leben hindurch so geschickt hantiert hatten, daß es ihnen sammt und sonders gelungen war auf die eine und selbe Manier aus dieser Welt zu scheiden; wenn man daher Franz Guichard über das eben erwähnte Problem fragte, so antwortete er unveränderlich: Gehängt! Gehängt!! gehängt! Denn in der That waren alle gehängt worden, von Cosimus Guichard an, der 1473, unter der Regierung des guten Königs Ludwig XI, am Kreuz von Trahoir verschied, bis auf Joseph Peter Guichards, der ohne den Marquis von Favras, welchem das Unglück diesen eigenthümlichen Ruhm vorbehielt, der letzte Franzose gewesen wäre den man an einem Galgen aufhißte.

      Inzwischen darf man wegen des tragischen Endes dieser elf Menschenleben nicht allzu streng über die Grundsätze und Gewohnheiten der Guichards urtheilen: wenn man einen Guichard hing, so hatte das Gesetz sich dessen weit mehr zu schämen als der arme Sünder; dieser konnte mit vollem Recht an die Nachwelt appellieren.

      Die Guichards waren gebotene Wilddiebe, wie wir bereits von den Condés bemerkt haben sie seien geborene Jäger gewesen. Zwischen seinem vierten und fünften Jahre schielte ein kleiner Guichard bereits mit lüstern funkelnden Augen nach den Kaninchen des Königs die seinem Vater den Kohl wegfraßen; zwischen dem siebenten und achten begann er sich zu fragen ob er nicht, in Anbetracht der Menge von Gemüsen die in den Bauch des Thieres gekommen, einiges Recht auf das Thier selbst habe; zwischen dem achten und neunten gelangte er zur festen Ueberzeugung von diesem Recht, sowie zu dem Entschluß seinen Kohl überall wieder zu nehmen wo er ihn fände, und er legte eine kleine Schlinge von Roßhaar oder Messingdraht, zwischen dem neunten und zehnten wurde er, Gott weiß wie, Besitzer irgend einer Feuerwaffe; mit zwölf Jahren stellte er Garne auf; mit zwanzig tödtete er, den Fortschritten in der Waffenindustrie gemäß, Alles was in den Bereich seines Bogen's, seiner Armbrust oder seiner Flinte kam; endlich zwischen dem dreißigsten und vierzigsten Jahr kletterte der Henker ihm auf die Schultern.

      Man darf indeß nicht wähnen daß die harte Lection welche die Guichards, einer um den andern, empfingen, für die Nachkommenschaft der unverbesserlichen Wilderer verloren gewesen sei. Die Hinrichtung hinterließ einen heilsamen Eindruck der während der folgenden Generation ausdauert. Der Sohn des Gehängten verabscheute die Kaninchen ordentlich, und beim Anblick dieser harmlosen Thiere fiel er in Ohnmacht, gerade wie Heinrich von Valois beim Anblick einer Katze oder Cäsar beim Anblick einer Spinne; er war nicht im Stand irgend ein Geschoß von Bogen, Armbrust oder Flinte auf dasselbe zu richten oder ihm mit einem Messingdraht irgendwie nachzustellen. Das dramatische Hinscheiden seines Vaters hatte für den jungen Menschen alles behaarte oder befiederte Wild mit dem Bann des Tabou belegt, wie die Bewohner von Neucaledonien sagen; aber da es ihm dabei unmöglich war sich der Marodeursinstincte zu entschlagen die dem Guichardschen Blut innewohnten, so rächte er sich an den Fischen.

      War sein Vater Wilddieb gewesen, so wurde er selbst Flußdieb, und wenn sich in Flüssen oder Bächen nicht Beute genug vorfand, so suchte er die Teiche, sodann die Fischweiher und endlich die Schloßgräben heim, deren ungeheure, zwei bis dreihundertjährige Karpfen auf seine Einbildungskraft so mächtig wirkten wie der Diamant auf das Eisen; und er mochte es nun mit Haaren, Federn oder Schuppen zu thun haben, zuletzt fügte es sich immer so daß eines Tags irgend ein Richter, Vogt oder Amtmann dem Sohne das zukommen ließ was er von der Erbschaft seines Vaters noch einzuziehen hatte, nämlich den Strick an welchem man den Letzteren aufgehäuft.

      So hatten es die Guichards, von Waldräubern zu Süßwasserräubern geworden, bis auf Franz geruht, der 1831 lebte, und mit dem wir uns sofort beschäftigen wollen.

      Sein Vater war, wie wir bereits beiläufig bemerkt, der letzte Vertreter gewesen welchen das steuer- und frohnpflichtige Volk an den Galgen geschickt, wofür die Feudalität seiner Familie großherzig das Privilegium geschenkt hatte. Dieser hatte dem Haar und der Feder, den Vierfüßlern und dem Gevögel den Krieg erklärt. Allerdings hatte er sich, obschon die Verordnungen über die Jagdpolizei seit der Thronbesteigung Ludwigs XIV um ein Gutes milder geworden waren, genöthigt gesehen seinen befellten und befiederten Opfern einen armen Teufel von Zweihändler beizufügen, unter dem Vorwand daß derselbe, ein Kerl der ein Blechlein und einen Dreispitz trug, ihn ins Gefängniß zu führen drohte; aber die erste Ursache dieses Unglücks war jedenfalls dieselbe gewesen, und deßhalb schwur Franz, der Ueberlieferung getreu, sich vor einer so unheilbringenden Sünde wie das Wildern und einer so gefährlichen Waffe wie die Flinte wohl zu hüten. Wir finden ihn also an den