Blutsbande
Blutsbündnis-Serie Buch 5
Amy Blankenship, RK Melton
Translated by Martina Hillbrand
Copyright © 2012 Amy Blankenship
Ins Deutsche übersetzt von Martina Hillbrand
Zweite Auflage herausgegeben von TekTime
Alle Rechte vorbehalten.
Kapitel 1
Die Stadt Los Angeles erstreckte sich vor ihm wie ein Kaleidoskop blinkender Lichter und Farben. Die entfernten Geräusche des Stadtlebens ertönten in seinen Ohren, aber Syn schenkte ihnen keine Aufmerksamkeit, lauschte stattdessen dem Flüstern einer sanften Brise, die über ihn floss. Er stand am höchsten Punkt des höchsten Gebäudes der Stadt, balancierte auf der Spitze des Turms.
Syn hatte seine Hände in seinen Hosentaschen vergraben, während sein langer Mantel wie ein Umhang hinter ihm flatterte und dabei zu verschwinden und wieder zu erscheinen schien, als wäre er lebendig. Sein langes, dunkles Haar wurde aus seinem Gesicht zurück geweht, wodurch eine alterslose Schönheit sichtbar wurde, wie sie auf dieser Welt kaum einmal gefunden werden konnte.
Er hatte aus Vorsicht seine Aura vor allen Kreaturen, die ihn spüren könnten, verborgen, aber er konnte all ihre Auren weit unter ihm wahrnehmen⦠wie sie sich zwischen den Menschen bewegten, in ihrem alltäglichen Leben, als hätten sie keine Sorge auf der ganzen Welt.
Als er senkrecht nach unten sah, auf den Balkon, der direkt unter ihm war, grinste er, als er hörte, wie Damon Alicia den Blutstein gab⦠ihn in ihr vergrub, sodass sie immer vor dem gefährlichen Sonnenlicht geschützt sein würde, das ihre neue Existenz bedrohte. Syn war stolz darauf, eine solche Schwiegertochter zu haben, jemanden, der Damon auf Trab halten würde, und ihn auf jegliche Art herausfordern würde, wo es wichtig war.
Sein Grinsen wurde breiter, als ihre Schmerzensschreie bald von den Ausrufen ihrer Leidenschaft gefolgt wurden, und er nickte zustimmend. Er konnte es nicht erwarten, sie kennenzulernen.
Syn konzentrierte den Blick aus seinen violetten Augen wieder auf die Stadt und sah die bösen Schatten selbst in den Gegenden, die hell erleuchtet waren⦠Dinge, die andere nicht sehen konnten. Er konnte nicht verstehen, wieso seine Kinder sich entschieden hatten, in diesem Kampf gegen die Dämonen teilzunehmen. In seinen Augen hatten die Dämonen ungefähr dieselbe Bedeutung wie die Menschen⦠sie waren ihm eigentlich ziemlich egal. Doch seine Kinder und seine eigenwillige Seelenfreundin hatten beschlossen, sich ihnen entgegen zu stellen⦠hatten entschieden, dass sie die beschützen wollten, die sich in so einem Krieg nicht selbst beschützen konnten.
Ein leises Lächeln erschien auf seinem Gesicht, als er sich an seine Frau erinnerte⦠seine Seelenfreundin. Sie hatte schon immer auf der Seite der Schwächeren gestanden, hatte sich immer für die eingesetzt, die sie als schwach ansah. Er musste davon ausgehen, dass nicht viel in ihr sich seit ihrer früheren Leben verändert hatte⦠die Seele war dieselbe, egal wie oft sie wiedergeboren wurde. Sie hatte ihn einst als Feind angesehen, einfach weil seine Macht viel gröÃer war, als die der meisten anderen in ihrer Welt⦠er hatte Jahre gebraucht, um sie umzustimmen.
Die Sonne schielte gerade über den Horizont und Syn hob sein Gesicht, um sie zu begrüÃen, lieà das Licht sich über ihn ergieÃen⦠fühlte die riesige Menge an Energie und füllte seinen Körper damit. Syn wusste, dass seine Kinder ein menschliches Leben gewählt hatten⦠etwas, das er früher noch nie ausprobiert hatte. Die Andeutung eines weiteren Lächelns überzog seine perfekten Lippen, als ihm eine interessante Idee kam.
Ja, es könnte richtig lustig sein, sich ihnen anzuschlieÃen, nachdem seine Seelenfreundin auch dachte, dass sie einfach ein Mensch war, und nach deren Regeln lebte. Er würde es ihnen gleichtun⦠ihr näherkommen und sie überzeugen, dass sie ihm gehörte und er nicht ihr Feind war. Dieses Mal würde er den GroÃteil seiner Macht vor ihr verborgen halten, damit sie sich durch ihn nicht so bedroht fühlte. Er würde ihr Mitstreiter werden, ihr Freund, und dann wieder⦠ihr Partner.
*****
Misery saà auf einem Felsen, lieà ihr Beine vorwärts und rückwärts baumeln, sodass ihr lockiges, blondes Haar bei jeder Bewegung hüpfte. Sie war diese Woche sehr fleiÃig gewesen, hatte Dämonen für ihre wachsende Armee versammelt. Auch jetzt waren einige davon in der Dunkelheit, die sie umgab, versteckt⦠beobachteten sie neugierig.
Die meisten der Dämonen, die sie gesammelt hatte, waren schwach und hatten nicht wirklich erwähnenswerte Mächte, aber das war es ja, was einen Soldaten ausmachte: Wenn er alleine kämpfte, war er nur ein Schwächling. Aber wenn man sie zusammenrief, um eine Armee aufzustellen, konnten sie die stärksten Feinde niedermetzeln, ohne sich darüber Gedanken machen zu müssen, wie viele von ihnen dabei verlorengingen.
Heute Nacht hatte Misery die Macht einer uralten Aura in dem Wald, der eine Seite der Stadt begrenzte, gefühlt, und war ihr bis in eine tiefe Höhle gefolgt. Die bösartige Energie hatte sich gegen sie erhoben, wollte sie aus ihrem Zuhause vertreiben, aber Misery hatte der Versuch nur belustigt⦠zumindest so lange, bis die Macht sie körperlich weggeschleudert hatte.
Als sie sich wieder aufrichtete, um den Dämon von Angesicht zu Angesicht zu bekämpfen, war alles, was sie sehen konnte, eine Krähe mit zerzausten Flügeln. Als sie deren schwarze Seele durchsuchte, beruhigte sich Misery wieder, denn sie erkannte, dass der Vogel einer der antiken Meister war, die vergessen worden waren, als die Gefallenen Engel die anderen in die Unterwelt vertrieben hatten.
Dieser Dämon hatte sich gut an seine Umgebung angepasst und hatte sich ein Zuhause errichtet. Die Eingeborenen-Stämme dieses Landes hatten den Dämon als einen groÃen Geist angesehen, der angebetet und verehrt werden musste, und durch dieses Anhimmeln war der dämonische Meister stärker geworden.
Misery konnte den Zorn, den dieser Dämon gegen die bleichgesichtigen Menschen hegte, die sich frei in diesem Land bewegten, schmecken und wollte sie zu ihrem Vorteil nutzen. Sie war einen Handel mit dem Dämon eingegangen, anstatt gegen ihn zu kämpfen⦠ein Kampf, von dem sie nun wusste, dass sie ihn verloren hätte. Dem Alten schien ihre Idee zu gefallen, ihre Artgenossen aus ihrem dimensionalen Gefängnis zu befreien und er hatte ihr, bevor er in den Wald davongeflogen war, aufgetragen, ein Blutopfer zu bringen⦠eines der Werkzeuge, die er brauchen würde, um ihr zu helfen.
Als Misery mit zwei Vampiren und einem verzauberten, halb bewusstlosen Mann zur Höhle zurückkam, wartete der böse Geist schon. Die roten, perlenartigen Augen der Krähe warfen ihr einen stechenden Blick zu, ehe der Vogel wegflog. Misery folgte ihm tief in den Wald hinein, bis zum Rand des Schutzgebiets. Sie betrat eine kleine Lichtung und war überrascht, dort einen alten Mann neben einem groÃen Lagerfeuer sitzen zu sehen.
âMan nennt mich Schwarze Kräheâ, erklärte der alte Mann.
Misery nickte respektvoll. Sie erinnerte sich an die heilige Art, wie man mit einem Dämon umzugehen hatte, dessen Macht gröÃer war, als die ihre. âIch heiÃe Misery.â
Schwarze Krähe lachte spöttisch. âWas weiÃt du schon von wahrer Misere?â
Misery erwiderte nichts, biss sich auf ihre Zunge, um zu vermeiden, in Stücke gerissen zu werden. Sie hatte Macht und er wusste es⦠sie war sich sicher, dass er sie ebenso fühlen konnte, wie sie ihn.
Schwarze Krähe stand auf und kam auf sie zu. Sie betrachtete seine menschliche Gestalt und konnte nicht verstehen, wieso jemand, der so mächtig war, einen so zerbrechlichen Körper wählen sollte. Er sah uralt aus, alt und runzelig, mit langem, weiÃen Haar, und trug dunkle Hosen aus Hirschleder. Sein Hemd war aus demselben Leder gemacht und mit Perlen und Federn geschmückt. Ein kleiner Beutel hing an seiner Hüfte und weitere Federn waren über einem Ohr in sein Haar geflochten worden.
Schwarze