Das Geschlechtsleben in der Deutschen Vergangenheit. Bauer Max. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bauer Max
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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      Das Geschlechtsleben in der Deutschen Vergangenheit

      Zum Geleit

      Einen kurzen, nur die behandelten Themen erschöpfenden Abriss des Geschlechtslebens der deutschen Vorzeit zu geben, ist der Zweck der vorliegenden Arbeit, die kein Lehrbuch, sondern hauptsächlich eine auf wissenschaftlicher Grundlage fussende Abhandlung über eine Materie sein will, der alle für jung und alt geschriebenen Kulturgeschichten ängstlich aus dem Wege gehen.

      Für den ernsten Laien ist mein Werkchen bestimmt, für den gebildeten Mann und die reife, denkende Frau, denen es »ein herrliches Ergötzen, sich in den Geist der Zeiten zu versetzen«, auch dann, wenn dieser Geist düstere Bilder zeitigt, auf die unsere vielgeschmähte Gegenwart mit Schaudern zurückblickt.

      Manch kerniges Wort ist in den nachfolgenden Blättern gesprochen, doch nur, wenn es der Stoff erforderte. Gar mancher wird sich darob entsetzen und entrüsten, aber: »Niemand lügt so viel, als der Entrüstete,« sagt Friedrich Nietzsche – und ich glaube, er hat recht!

      Friedenau, September 1902.

      Max Bauer.

      Das frühe Mittelalter

      An einer dem Urwalde abgerungenen Stelle, die ein Bächlein durchrieselt, dessen Ufer Blumen schmücken und Weiden beschirmen, liegt das Gehöft des Germanen. Wiesen mit vereinzelten Bäumen und Felder von bescheidener Ausdehnung, bestellt mit der Brotfrucht oder Gerste, um den Trank des Hausherrn daraus zu brauen, oder dem gelbblühenden Hanf, aus dessen Fäden die Hausfrau manch Gewand zu wirken weiss, umschliessen die Baulichkeiten bis an die Grenze des Waldes hin, dessen breitästige Riesen ihre Schatten auf die wogenden Halme werfen. Waldesnähe war Notwendigkeit für den Urdeutschen, denn der gewaltige Wald war geradezu Lebensbedingung für ihn. Aus seinen Stämmen zimmerte er das kunstlose, schirmende Dach; seine harzreichen Äste und das Reisig gaben der fensterlosen Halle Licht und Wärme im rauhen Herbste; die aus Waldesstämmen geschnittenen Pallisaden und der aus biegsamen Zweigen geflochtene Zaun hielten das Raubzeug von dem Einbruch in des Herrn Herden ab, wenn Schnee und Eis die Erde deckte und der Hunger die Tiere den menschlichen Behausungen zutrieb. Die aus seinen Scheiten genährten Essen verflüssigten das Erz, aus dem der Germane die Schutz- und Trutzwaffen schmiedete, wie die Werkzeuge für das Feld: Sichel und Sense. Im Waldesdickicht barg sich das Wild: Hirsch, Reh, Elen, Ur, das Schwarzwild, Meister Petz und anderes Getier, dessen Jagd des Mannes Herzensfreude war, und das ihn und die Seinen mit Fleisch und wärmendem Rauchwerk zur Kleidung versorgte. Aus Waldesdüster stieg vom Opfersteine der Rauch gen Walhalla auf; an entlegenen, schwer zugänglichen Stellen hauste einsam die Seherin, »die weit und breit für ein göttliches Wesen galt«1, durch dessen Mund die Götter in seltsam gefügter Rede sprachen, ihren Willen kundgaben, lobten oder tadelten, verhiessen oder verdammten, die Prophetin, verehrter als der Oberpriester, als der erkorene Herr und Führer in Frieden und Kampf, sie das heilige Weib!

      Denn »der Germane schreibt dem Weibe eine gewisse Heiligkeit und prophetische Gabe zu«2. Darum war ihm auch heilig die Frau, die er an seinen Herd genommen, heilig das Weib des Nachbarn und unantastbar, wie die eigenen Töchter. Nur den Feind traf er tödlich damit, dass er nach erfochtenem Sieg dessen Weiber seinen Lüsten opferte. »Die frouwen sie nôtzogeten, Und die megde wol getan« heisst es noch Jahrhunderte später von den Weibern einer erstürmten Stadt. Aber auch das Gegenteil lässt sich bezeugen. Als König Rudolf 925 die Stadt Auga (Eu) erstürmte, in die sich die Normannen unter Rallo geworfen hatten, wurden alle Männer niedergemacht, die Frauen aber unberührt gelassen. Gleiche Schonung hatte früher Totila den Neapolitanerinnen und Römerinnen bewiesen, und als ein vornehmer Gote sich eine Ungebührlichkeit gegen ein neapolitanisches Mädchen erlaubt hatte, liess er ihn trotz allgemeiner Verwendung hinrichten und sein Vermögen jenem Mädchen geben.3 Also auch im Kriege bewahrten deutsche Stämme die Achtung vor den Frauen.

      Dem Germanen, dem rauhen Sohne eines unwirtlichen Landes, galt eben sein Weib als die Gefährtin seines Lebens, eins mit ihm in Freud und Leid, die für ihn schaffte, für ihn sorgte, ihn pflegte, wenn er siech darniederlag, seine Wunden verband und sie mit geheimnisvollen Sprüchen zu heilen suchte; die er dafür mit seinem Leibe schützte, für die er starb, wenn es das Geschick erforderte, gleichwie sie selbst den Tod der Ehrlosigkeit vorzog. Ihre Gemeinschaft war ernst und unverbrüchlich, kein loses Spiel, wie bei vielen kulturell höher stehenden Völkern jener Epoche, die in der Frau nur den Gegenstand zur Befriedigung der Lüste, oder die tief unter dem Manne stehende Sklavin, im günstigsten Falle das zur Fortpflanzung nötige Werkzeug sahen. Nimmt es da wunder, wenn Cornelius Tacitus, der erste, dem wir sichere Kunde von germanischen Sitten und Gebräuchen verdanken, der elegante Römer, das leichtlebige Kind der Weltkloake Roma mit ihren marklosen Männern, ihren entarteten Weibern, bei denen der Ehebruch zum guten Ton gehörte, deren abgestumpfte Nerven nur die raffinierteste Wollust reizte, in Germanien und der unverfälschten Natürlichkeit seiner Eingeborenen eine neue Welt, ein Utopien zu sehen glaubte, das er seinen Landsleuten nicht genug preisen konnte. »So lebt denn das Weib dahin, unter der Obhut reiner Sitten, nicht verderbt vom Sinnenreiz lüsterner Theaterstücke, noch durch wollustreizende Gelage. Geheimen Verkehr durch (Liebes-) Briefe kennt weder Mann noch Frau. Ehebruch ist unter diesem doch so zahlreichen Volke äusserst selten. Seine Bestrafung ist schnell, und dem Ehemanne überlassen. Mit abgeschnittenem Haar, nackt, und in Gegenwart der Verwandten, stösst der Gatte die Schuldige zum Hause hinaus und peitscht sie durch das ganze Dorf. Auch die preisgegebene Jungfräulichkeit findet keine Verzeihung. Nicht Schönheit, noch Jugend, noch Reichtum gewinnt ihr einen Mann. Denn dort freilich lacht niemand des Lasters; verführen und verführt werden nennt man nicht Zeitgeist. Besser, wenigstens bis jetzt noch, steht es mit einem Lande, wo nur Jungfrauen in die Ehe treten und wo es mit der Hoffnung und dem Gelübde der Gattin ein für allemal abgethan ist. So erhalten sie nur den einen Gatten, gleichwie sie Leib und Leben nur einmal empfingen, damit in Zukunft kein Gedanke über ihn hinaus, kein weiteres Gelübde sich rege, damit Liebe nicht sowohl zum Ehemanne, als zum Ehebunde sie beseele.«4

      Nur das reine Weib hatte Geltung bei den Germanen. Der auf uralten Rechtsgrundsätzen sich aufbauende Sachsenspiegel, das sächsische Landrecht, niedergeschrieben im 13. Jahrhundert, vertritt die Anschauung, dass ein einmal gefallenes Weib, selbst wenn sie wider ihren Willen ihre Ehre verloren, nie wieder die Rechte eines reinen Mädchens erlangen könne.5 Da den germanischen Jünglingen strenge Gesetze die Keuschheit bis zur vollendeten Männlichkeit zur Pflicht machten – der Umgang mit Weibern galt für den jungen Mann vor Vollendung des 20. Lebensjahres für eine Schmach6 – ebenso wie den Mädchen, so war der Unmoral nur ein enger Spielraum gegeben. Sexuelle Ausschreitungen kamen wohl vor, doch dürften sie immerhin als Ausnahmen zu betrachten sein.

      Mit der Errichtung von befestigten Dörfern, den Vorläufern der deutschen Städte, dem engeren Aneinanderrücken ursprünglich weit voneinander abgelegener Anwesen und dem Eindringen fremder oder aus der Fremde wieder heimgekehrter Elemente, vollzog sich allmählich eine Sittenwandlung zum schlechteren, die aber vorderhand noch nicht bis zum häuslichen Herde vordrang. Die Hausfrau und die Töchter des Deutschen blieben ebenso keusch und züchtig wie vordem.

      War es erst die römische Invasion und die Rückkehr deutscher Krieger aus römischen Kriegsdiensten, die manche Unsitte auf deutschen Boden verpflanzten, manche leichtere Sittenanschauung nach Germanien eingeführt hatten, die wie stets bei allen Naturvölkern nur zu leicht Wurzeln fasste und üppig weiterwucherte, so ging auch später die Völkerwanderung und die mit ihr einbrechenden wilden Horden nicht spurlos an den Vorfahren vorüber. Auch das Christentum räumte mit vielem Althergebrachten für immer auf oder entstellte es, wo es galt, die Gefühle der Bekehrten zu schonen, nach und nach bis zur Unkenntlichkeit.

      Eine neue, von der alten grundverschiedene Zeit war für Germania angebrochen. Das Volk, das ein Tacitus als Muster hingestellt, das das römische Weltreich zertrümmert hatte, war aus dem Naturzustand in die Kultur eingetreten. Der rauhe Naturmensch, dem bislang Krieg und Jagd als Um und Auf des Lebens galten, der jede Arbeit, die nicht mit diesen seinen Herzensneigungen zusammenhing, verachtete und sie den Frauen und den Sklaven überliess, war zum Edeling oder zum Bauerbürger geworden, der nun nicht


<p>1</p>

Tacitus, Germania, § 8.

<p>2</p>

Tacitus a. a. O. § 8.

<p>3</p>

Karl Weinhold, Die deutschen Frauen in dem Mittelalter, I. 218 ff.

<p>4</p>

Tacitus a. a. O. § 19.

<p>5</p>

Der 37. Artikel: Wer eines Mannes ehelich Weib öffentlich behuret, oder sonst ein Weib oder Magd notzöget, nimpt er sie darnach zur Ehe, eheliche Kinder gewinnet er nimmermehr bey ihr. (Übers. von Jacob Friedrich Ludovici 1750.)

<p>6</p>

Caesar, De bello gallico, VI. 21.