Thomas Häring
Immer weniger für Fiele
Viel zu Fiele
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Die Vier, das Bier, die Zier und das Tier
Ich brauch jetzt ne Überschrift
Meineid, Meinhof und Meines
Das hier ist die Geschichte vom Rückführungstherapeuten Hasso Fiele, der festgestellt hatte, daß er in seinem vorherigen Leben Ulrike Meinhof gewesen war. War das wahr, oder war das nichts weiter als eine weitere Versinnlosung des Absurden? Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, aber fälschen Sie auch nicht mein Verständnis, denn ich habe ebenfalls große Probleme damit, zu begreifen, was einfach nicht nachzuvollziehen ist. Es kommen auch noch ein paar andere, nicht weniger dubiose Gestalten in der ganzen Abhandlung hier vor, aber um erst gar keinen roten Faden ins Spiel zu bringen, treffen wir nun auf Mandy Feiten, eine professionelle Zuhörerin, die dem ziemlich verwirrten Hasso Fiele auf einer Parkbank in Magdeburg ihr Ohr lieh. "Wer ist Ulrike Meinhof?" lautete ihre erste Frage, nachdem er aufgeregt erzählt hatte, was ihm widerfahren war, beziehungsweise, was er während seiner ersten eigenen Rückführung erlebt hatte. "Das war diese Journalistin, die später dann zur RAF-Terroristin geworden ist", antwortete er. "Und wer oder was war die RAF?" Hasso schaute Mandy genervt an. Na, das konnte ja was werden, wenn die Frau nicht einmal wußte, worum es im Grunde überhaupt ging und was für ein Problem er damit hatte, in seinem früheren Leben Ulrike Meinhof gewesen zu sein. "Die RAF war eine Terrororganisation, die hat Anschläge auf amerikanische Einrichtungen und deutsche Prominente verübt." "Aha. Is ja ’n Ding. Erzählen Sie weiter!" "Also, ich habe gerade mein Leben als Ulrike Meinhof noch einmal in ganzer Länge durchgemacht und ich muß zugeben, daß ich innerlich total zerrissen gewesen bin. Auf der einen Seite handelte es sich bei mir um eine angesehene Journalistin mit Mann und Zwillingen, aber da gab es da halt dann auch diesen starken Anteil in mir, der sich mit den herrschenden Verhältnissen weder abfinden konnte noch wollte. In den 60er und 70er Jahren ging es in Deutschland ziemlich zur Sache. An der Macht befanden sich alte Politiker und überall saßen Leute an wichtigen Positionen, die schon während der Nazi-Zeit Einiges zu sagen gehabt hatten. Wir Linken konnten und wollten das nicht hinnehmen, weshalb wir den Finger in die Wunde legten und dagegen protestierten. Außerdem wollten wir, daß es auch in Deutschland so etwas wie Sozialismus geben sollte, also in Westdeutschland, meine ich damit natürlich." "Auf gut Deutsch: Ihr wart ein paar verrückte Spinner und Weltverbesserer." "Könnte man meinen, aber da war noch viel mehr. Ich kämpfte auch gegen die Unterdrückung der Frauen, gegen den Krieg der Amerikaner in Vietnam, gegen den faschistischen Imperialismus und forderte eine echte Demokratie." "Aha, das ist ja alles sehr interessant, aber irgendwie habe ich noch nicht kapiert, weshalb Sie so schockiert darüber sind, diese Ulrike Meinhof gewesen zu sein." "Das kommt schon noch, es ging ja noch viel weiter. Es gab Studentenunruhen, große Reden wurden geschwungen, schlaue Kommentare wurden geschrieben, unter Anderem auch von mir, aber im Grunde änderte sich nichts. Die Medien ließen an uns und unseren Ideen überwiegend kein langes Haar, also vor allem die Staatsmedien natürlich, die keine Veränderung wollten. Wir drehten uns im Kreis und kamen nicht weiter. Dazu kam, daß ich in der bürgerlichen Gesellschaft gut integriert war, was für mich alles noch viel schlimmer machte. Ich hielt meine Reden gegen den Kapitalismus oft vor Kapitalisten und die nahmen mich natürlich überhaupt nicht ernst. Das Ganze eskalierte immer mehr, es gab die ersten Toten, Anschläge auf Linke wurden verübt und so radikalisierte auch ich mich immer mehr. Ich lernte Leute kennen, die nicht nur reden, sondern auch handeln, also gegen das Schweinesystem kämpfen wollten und wurde Mitglied der RAF." "Klingt spannend und faszinierend, aber irgendwie auch gefährlich." "Allerdings. Für mich umso mehr, denn ich hatte ja Mann und Kinder, die ich eigentlich nicht verlieren wollte. Aber ich mußte mich entscheiden, denn ein richtiges Leben im falschen war für mich aus meiner Sicht nicht länger möglich. Um es kurz zusammenzufassen: Wir bekämpften den Staat und seine Repräsentanten mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln, wurden gejagt sowie verhaftet und kamen dann alle im Knast ums Leben." "Wow! Das ist ja echt kraß! Klingt nach einem ziemlich abenteuerlichen Leben, deshalb verstehe ich immer noch nicht, was genau Sie daran stört." Hasso Fiele schaute seine Gesprächspartnerin nachdenklich an. Irgendwie imponierte ihm ihre Naivität, andererseits irritierte es ihn auch, daß Mandy so tat, als wäre das alles nicht weiter tragisch und dramatisch. "Ach ja, die Gnade der späten Geburt", dachte er sich nur und schwieg.
Joe Wetzlaff war ein Mann wie er im Buche stand, also zumindest in diesem hier. Er war als Frau zur Welt gekommen und hatte sogar zwei Kinder zu eben jener gebracht. Irgendwann hatte sie gemerkt, daß sie lieber ein Mann wäre und sich daraufhin umoperieren lassen. Doch damit bei Weitem nicht genug. Als Triple Agent hatte Joe sich einen Namen gemacht; er hatte sowohl für die Amerikaner als auch für die Russen und sogar für die Blockfreien spioniert gehabt. Als "IM Niemandsland" hatte er sich auf der ganzen Welt einen Namen gemacht, doch nun saß er in der "Unerreich-Bar" und schwadronierte: "Früher gab es in Deutschland einen Führer, heute sind da lauter Syrer. Ein Volk, kein Scheich, eine Million Syrer. Das hier wird noch der reinste Syrer-Staat. Syrer befiehl, wir verfolgen." Sein Tresennachbar schaute ihn mit glasigen Augen an, bevor er erwiderte: "Was soll der Scheiß? Ich habe keine Lust darauf, mit Dir über das Flüchtlingsthema zu diskutieren. In Deutschland machen die Leute seit vielen Monaten ohnehin nichts Anderes mehr. Außerdem ist jetzt ja endlich die Balkan-Route dicht und den Schleppern und Schleusern wird das Geschäft auch verhagelt, indem die ganzen illegal Eingereisten wieder in die Türkei zurückgeschickt werden und ihre Chance verwirkt haben, als Kontingent-Flüchtlinge aufgenommen zu werden. Erzähl mir lieber was Persönliches von Dir oder über Dich!" Joe kratzte sich am Kopf, nahm seinen Drink zu sich und sprach: "Also gut, ich trank gerade meinen Brandy und bin über beide Ohren verliebt in die Mandy." "Wer ist das denn?" "Das ist die tollste Frau der Welt und ich muß das wissen, denn ich bin früher selber mal eine Frau gewesen." Der Andere schaute Wetzlaff mit weit aufgerissenen Augen an. "Ja, mein Leben war immer spannend und abwechslungsreich, aber die Mandy Feiten, die erdet mich total. Die kann so gut zuhören, daß sie ihre Fähigkeit sogar zum Beruf gemacht hat." "Hä? Wie soll das denn gehen?" "In Sachsen-Anhalt gibt es ja jede Menge Unzufriedene, was man ja auch bei der letzten Landtagswahl deutlich gemerkt hat. Und damit die in Zukunft nicht mehr so frustriert sind und deswegen Protestparteien wählen, hat die Stadt Magdeburg Mandy Feiten als professionelle Zuhörerin engagiert. Diese tolle Schnuckimaus sitzt den ganzen Tag in irgendwelchen Parks der Stadt auf Bänken und hört sich das an, worüber sich die Leute hier aufregen." "Was es nicht alles gibt", fiel dem Saufbruder dazu nur ein. "In der Tat. Allerdings hat die Sache einen ganz großen Haken und das macht mich völlig fertig. Sie hört mir zwar zu, die Gute, aber sie liebt mich nicht. Statt dessen ist sie in einen total abgefahrenen Kerl verknallt, der behauptet, in seinem früheren Leben Ulrike Meinhof gewesen zu sein." "Na und? Wo ist das Problem? Angeblich warst Du sogar in Deinem jetzigen Leben schon eine Frau, von daher stichst Du diesen Konkurrenten doch locker aus." "Eben nicht. Dieses Arschloch kann der tollen Mandy nämlich lauter tolle Räuberpistolen aus einer Zeit erzählen, in der ich noch nicht der größte Vaterlandsverräter aller Staaten dieser Erde gewesen bin." "Und wenn schon? Alles halb so wild. Wahre Liebe gewinnt immer." "Nein,