Aus meinem Merkbuch. Karl Schönherr. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl Schönherr
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847683070
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Stelle die Mariä Himmelfahrt anbringen lassen. Das sei eine unverdiente Zurücksetzung:

      »Was einmal dem Michel ghört hat, hätt man ihm nit nehmen sollen!

      Wißts, Herr, i heiß auch Michel! Und das hat mich schiech verdrossen, daß mein Namenspatron so mir nix, dir nix pensioniert worden ist! Die Muttergottes han i mi aber nimmer traut wegzutun; sie könnt’s ungern habn! Und so hab i halt dö Figur gschnitzelt und obern Bild auf dem Hochaltar aufgstellt, weil i dös nit hab anschauen können, daß mein kreuzbraver Namenspatron sollt im Winkel stehn!«

      Der alte Herr lud mich noch auf einen kleinen Plausch in seine Stube. Es war ein freundliches, einfach getäfeltes Zimmer, an dessen Wänden allenthalben hübsche Laubsägearbeiten und Heiligenbilder in wunderlich verschnörkelten, geschnitzten Rahmen hingen. Ein besonders fein gearbeiteter Rahmen umgab ein großes, farbenreiches Bild des heiligen Michael, welches zu Häupten des Bettes hing.

      »Häuserin, hoi! Bringts a Halbe Wein und ein bißl Speck für den Herrn!«

      Bald stand das Beschaffte auf blühweißem Tischtuch vor uns. Es war recht wohltuend, dem Kuraten zuzuhören. Er wußte so schlicht zu erzählen. Mitten in der Rede hielt er immer wieder inne, um mein Glas vollzuschenken und mich zum Zulangen aufzufordern: »Nur zugreifn! Es ist ja da zum Essen! Wenn’s was zum Anschaugn wär, hätt i Bildeln herglegt!«

      Mit warmem Dank und Händedruck empfahl ich mich.

      Sucht ihn doch einmal heim, meinen alten guten Bergpfarrer, es wird ihn freuen und mich. Aber ihr dürft ihn nicht suchen in der Nähe der Städte oder an der großen Heerstraße.

      Scheu wie ein Flüchtling hat er sich zurückgezogen, weit hinauf in das Gebirge, bis an die Region der Gletscher. Drunten im ebenen Land ist für ihn kein Platz und kein Gedeihen.

      REINIGUNG

      Wie oft habe ich den alten Auerbrugger vor meinem Fenster über die Gasse tappen sehen. Immer ängstlich an der Häuserfront entlang, einen langen Stock vor sich herschiebend, vorsichtig nach Hindernissen tastend. Er ist stockblind, weiß Gott, seit wieviel Jahren. Ich kenne ihn nicht anders. Er trägt auch seit urdenklichen Zeiten den rechten Arm in der Schlinge.

      »Was fehlt dir am Arm, Auerbrugger?«

      »O mei! Er ist allweil so gwesn! Oben im Scharnier kann ich ihn nit rührn! Ein Glasl Wein tät i grad schon aufderhebn, und ’s Maul wär so weit auch in Ordnung! Aber, naja!«

      Der Auerbrugger gehört zum unveräußerlichen Inventar des Armenspitals.

      »Mich darf man nit verkaufn und nit versetzn!«

      Armenhäuser auf dem Lande, daß Gott erbarm! Wenn er oft so in dem rattenkahlen Neste vor dem papierverklebten Fenster saß und hörte draußen das Leben vorüberlärmen, da kam’s ihm oft gar nicht so leicht vor: »Wenn nur einmal die ganze Welt der Teufel holet!«

      Da war gleich die Spitalsoberin dahinter. »Hörst auf, so zu fluchn!«

      »Ah, was! Er holt sie ja doch nit!«

      »Auerbrugger! Es geht auf Ostern zu! Geh ins Kloster hinauf und tu dich wieder einmal reinigen! Osterbeicht machen, du brauchst’s!«

      »Freilich! I schau die Weiberleut zu viel an!«

      Der alte, blinde Auerbrugger war nämlich im Spital noch zu verschiedenen Arbeiten gut zu gebrauchen. So tastet er sich, vorsichtig den langen Stock vor sich herschiebend, ganz von dem Reinigungsgedanken durchdrungen, die Straße entlang.

      »Wohin, Auerbrugger?«

      »Reinign!«

      Er sucht, mit dem Stock weit an der Gassenfront vortastend, den Einbug in das Klostergaßl.

      Da standen zwei Büblein. Die lachten.

      »Horts, Büebln! Jetz sagts mir grad, da rechts mueß ja gleich das Klostergaßl abschneidn!«

      »Freilich schneidet’s da rechts ab!«

      »Seid so guet, Büebln, und tuet mich bis zum Einbug führn!«

      »Wir führn dich schon! Ganz gern!«

      Der kleinere von den beiden, aber der größere Lump, faßt den langen Stock am untern Ende und zieht den Blinden hinter sich her:

      »So! Jetz geh nur fest nach!«

      Und führt den Alten am Klostergaßl vorüber geradenwegs vor die Einfahrt des Traubenwirtshauses.

      »So! Da bist beim Einbug! Kannst nimmer fehln!«

      Sie ließen den Alten stehen und liefen davon.

      »Vergelts enk Gott, Büeblen!«

      Der Alte tastet sich rechter Hand weiter.

      »Teuflment! Seit wann ist denn im Klostergaßl a hölzerner Fueßbodn glegt? Da bin i ja heilig beim Traubnwirt! Verfluchte Büebln!«

      Durch die offene Tür der Gaststube hatten ihn schon ein paar übernächtige, zechende Gäste ersehen.

      »Was könnt man ihm denn gleich antun?« Das war ihr erster Gedanke. Die Leute sind ja gar so gut und freundlich.

      »Halt! I hab’s! Gschwind! A Restl Wein, a Restl Bier, a Restl Schnaps! So! Alls zusammengschüttet in ein Bierglas!«

      »Auerbrugger! Hast Durst? Da! Trink!«

      »Was habts denn Guets?«

      »A Kaisermischung!«

      »A Kaisermischung? Sapperlott! Dann mueß man’s mit Andacht trinkn! Sollts alle lebn!«

      Drückt die blinden Augen zu und tut einen andächtigen Schluck.

      »Na! Schmeckt’s?«

      Der alte Auerbrugger prüft nach alter Weinbeißerart mit der Zunge schmatzend den Geschmack nach. Er war sich noch nicht ganz klar. »Hm! Weiß nit recht, wo i’s hin tuen soll! Aber was Bsunders ist ’s! Dös spür i!«

      Er macht noch einen prüfenden Schluck.

      »Hm! An’ bittern Nachgschmack hat’s! Dös wird aber schon guet fürn Magn sein!«

      »Na ja! Der Kaiser trinkt’s alle Nacht vor dem Schlafengehn!«

      »Eben! Dös merk i schon. Die Sach hat an’ Gehalt!«

      Der Trunk stieg immer höher in der Achtung des Auerbrugger. Er stürzte das große Glas in einem Zug bis auf den letzten Tropfen hinunter. Dann lachte er mehr als vergnüglich auf.

      »Hahaha! Und wärmen tuet’s! Respekt! Dös wärmt den Magn!«

      Der Auerbrugger wurde immer aufgelegter:

      »Mannder! Dös geht ins Bluet! Haha! Jetzt spür i erst, daß i lebendig bin! Vergelts enk Gott! Haha! So a Mischung, da hat der Kaiser freilich leicht lustig sein! Hahaha!«

      »Hahaha!« grölten die Gäste mit.

      Auerbruggers tote Augensterne leuchteten in besoffenem Glanz:

      »Laßt mich eins tanzen!«

      »Da! Tanz!«

      Er torkelte lustig besoffen in der Stube herum.

      Sie stellten ihm immerfort Stühle in den Weg. Der Blinde fiel ein ums andere Mal der Länge nach hin. Die guten Leute brüllten vor Vergnügen. Der Alte lachte mit:

      »Na! So fein ist’s schon lang nimmer gwesn! Führt mi ausser in Gotts freie Natur! Da herin ist’s mir heut zu eng!«

      Sie führten den lebenstollen Alten in den Hof hinaus und setzten ihn auf den Düngerhaufen!

      »Da ist Natur! Frisch vom Zapfn!«

      »Ah! So weich bin i schon lang nimmer gsessn! Ist dös heut a Lust!«

      Er begann auf dem Düngerhaufen einen Gesang, daß jung und alt zusammenlief: