Neukonzept. Elisa Scheer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elisa Scheer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737562812
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      Alles frei erfunden!

      Sämtliche Namensgleichheiten und sonstige Übereinstimmungen mit real existierenden Personen, Firmen u. ä. sind purer Zufall.

       Imprint

      Neukonzept. Kriminalroman

      Elisa Scheer

      published by: epubli GmbH, Berlin

      www.epubli.de

      Copyright: © 2015 Elisa Scheer

      ISBN 978-3-7375-6281-2

      Prolog

      Sie hatte ja schon öfter blöde Ideen gehabt, ärgerte sich Leonie, aber das hier war bei weitem die allerblödeste. Sie trottete hinter den anderen her und rückte zum hundertsten Mal ihren Rucksackträger zurecht. Ohne Erfolg, er scheuerte immer noch, da half alle schonende Polsterung nichts. Dieser Trottel im Sportgeschäft, hatte er nicht gesagt, das sei das bequemste, komfortabelste, praktischste Modell seit Anbeginn der Zeiten?

      Nein, der Trottel war sie selbst. Eine Woche Urlaub, und was tat sie? Buchte eine geführte Bergwanderung in der Schwarzenbachklamm. Es regnete von oben, die Gischt schäumte von der linken Seite, die Mücken kamen von rechts, und es war so feuchtschwül, dass man sich nicht einmal etwas überziehen konnte, um gegen Nässe und Viehzeug geschützt zu sein – mehr als ein Trägertop und dreiviertellange Cargohosen konnte sie zumindest nicht ertragen, den Rest hatte sie an den Rücksack gebunden.

      Gestern hatte die Sonne geschienen, was ihr eine rote Nase eingebracht hatte, heute nieselte es heftig. Toll aussehen tat es hier ja schon, fast wie im Regenwald, und die Böschung rechts war interessant bewachsen – aber seit wann hatte sie denn etwas mit Natur am Hut?

      Der Schwarzenbach rauschte heftig neben ihr. Sie schaute nach links – wild schäumendes dunkles Wasser über großen Steinen. Ob die Steine wohl so schwarz waren oder woher kam die dunkle Tönung? Von mitgeführter Erde? Das Wasser sah aber eigentlich ganz klar aus.

      Die anderen waren alle schneller, das waren so richtige Profiwanderer, solche, die jedes Wochenende loszogen und vor lauter Hornhaut schon gar keine Blasen mehr kriegten. Das konnte sie von sich nicht behaupten. Jetzt hielten sie ganz da vorne, wo ein wackliger Holzsteg über den Bach führte, anscheinend ging der Weg auf der anderen Seite weiter. O Gott, da hinten führte eine Treppe den Berg hinauf! Sie hasste diese glitschigen nassen Holztreppen – man rutschte, man keuchte, man stellte fest, dass man weder Kondition noch Gleichgewichtssinn hatte und schämte sich ganz grundlos. Wanderer waren nämlich nicht automatisch die besseren Menschen! Und diese Tussi im roten Windbreaker schon gleich gar nicht, die sicher mal wieder andächtig an den Lippen des Führers hing, obwohl der höchstens auf Bartnelken, Nagelflu oder ein altes Vogelnest hinwies und sich auch gar nicht für seine treue Verehrerin interessierte.

      Jetzt bekam sie links wirklich eine Blase, und das, wo doch die anderen schon über die Brücke trappelten! Da musste sie nachher regelrecht rennen, um sie wieder einzuholen. Scheiß-Urlaub! Jetzt irgendwo auf eine Liege herumlungern, Meeresrauschen, ein nettes Börsenmagazin und einen möglichst gruseligen Krimi zur Auswahl, ab und an einen Campari Orange... War sie denn vom wilden Affen gebissen, stattdessen durch ein verregnetes frühherbstliches Oberbayern zu humpeln? Soo gesund war Wandern auch wieder nicht.

      Die anderen würden schon merken, dass sie sie verloren hatten, jetzt war eins von diesen komischen Gelpflastern angesagt, basta.

      Sie hinkte noch einige Schritte weiter, bis sie vor einer Art Höhle stand und darin einen sehr zweckdienlichen Sitzfelsen vorfand. Ideal! Sie setzte sich, zog Trekkingschuh und Spezialwandersocke aus (auch so eine Geldverschwendung) und kramte in sämtlichen Taschen und Fächern ihres Rucksacks herum, bis sie das Mäppchen mit ihrer Wanderapotheke gefunden hatte. Das Pflaster kühlte sofort, als sie es aufdrückte, und als sie sich auch noch ein Paar frische Socken gegönnt hatte, fühlte sie sie sich durchaus imstande, die anderen in geschmeidigem Trab wieder einzuholen – wenigstens so lange, bis sie wieder auf ihren beschuhten Füßen stand: Naja! Wenigstens scheuerte es nun deutlich weniger.

      Sie stampfte ein paar Mal probeweise auf und stellte mäßig erfreut fest, dass der Regen stärker geworden war. Da sollte sie wohl doch mal das Regencape aus dem Rucksack holen... Sie hatte es gerade herausgekramt und den Rucksack wieder verschlossen, als sie ein eigenartiges Donnern hörte und mittendrin einen unterdrückten Schrei – dann wurde es dunkel vor ihrem höhlenartigen Standpunkt.

      Sie schüttelte den Kopf und zwinkerte ein paar Mal verwirrt. Was war das denn? So dunkel konnte es doch nicht einmal bei Gewitter werden! Sicher, Gewitter in den Bergen waren nicht ungefährlich, das wusste sogar sie (wieder ein Argument für einen gepflegten Sandstrand), aber es konnte selbst hier weder so stockfinster werden noch so lange nachgrollen. Das klang auch anders – so rollend, so, als bewegte sich etwas. Und die Schwärze vor der Höhle war nicht Nacht oder eine dicke schwarze Wolke, sondern einfach Erde. Schwere, nasse Erde.

      Na Klasse! Ein Bergrutsch. Eine Mure oder wie man das nannte. Sie kannte das auch nur aus dem Nachrichtenkanal, wo man immer die Bilder von halbzerstörten Bauernhöfen und darüber die lange Spur einer Mure auf dem Hang sah. Oder gesperrte Alpenübergänge. Sie konnte ja bloß froh sein, dass sie in dieser Höhle gestanden hatte, sonst wäre sie jetzt wohl tot.

      Tot!

      Der Gedanke missfiel ihr so, dass sie zu zittern begann und sich ziemlich abrupt wieder auf den steinernen Sessel setzen musste. Was für ein Ende! Die erfolgreiche PR-Frau Leonie Sambacher, das coole City-Girl, nur Hightech und Gewinne im Kopf, von der Rache der Natur eingeholt und in einem Bergrutsch erstickt. Nee... hochbetagt als große alte Dame der Werbung (und außerdem steinreich) friedlich einschlafen – so war das geplant!

      Kein Problem, sie hatte ja ein Handy dabei, und „der Ernstl“, der Bergführer, hatte allen seine Nummer diktiert. Sie würde ihn anrufen, er würde ein paar Leute herbeizitieren, und die würden sie ausgraben. Eine Sache von höchstens einer Stunde, sie waren ja schließlich im hochtechnisierten Bayern.

       Laptop und Lederhose

      Hoffentlich war hier nicht bloß Lederhose pur angesagt!

      Das Handy war schnell gefunden, und sie tippte ihren Code ein. Rechter Balken – hoch. Gut, der Akku war ja auch frisch aufgeladen. Linker Balken – gleich Null. Scheiße, kein Netz. Obwohl... sie rief die Nummer vom Ernstl auf.

      Nein, nichts.

      Toll. Scheiß-Bergwanderung. Scheiß-Schwarzenbachklamm. Scheiß-Urlaub.

      Sie ließ das Handy eingeschaltet, aktivierte die Tastensperre und schob es wieder in den Rucksack. Vielleicht konnte man sie ja trotz Funkloch orten... Der Ernstl musste doch merken, dass sie fehlte? Schließlich zählte er doch ununterbrochen durch und schimpfte, wenn sich jemand unerlaubt von der Truppe entfernte.

      Anscheinend schimpfte er schon jetzt, jedenfalls erklang wütendes Gegrummel von jenseits der Wand aus Erde und Steinen. Sie trat näher an den Höhleneingang. „Hallo? Hier bin ich!“

      „Und ich bin – Scheiße!“, war die Antwort. Das war nicht der Ernstl, nicht mal mit dem Mund voller Erde. Hochdeutsch und eine Bassstimme – und der Ernstl hätte nicht Hochdeutsch sprechen können, wenn sein Leben davon abgehangen wäre. Außerdem sprach er nicht annähernd so tief. Da war einer von der Lawine mitgerissen worden!

      Sie inspizierte die Wand genauer und entdeckte schließlich etwas, was wie schlammverkrusteter Gummi aussah. Vorsichtig fasste sie danach. „Hallo? Kann es sein, dass ich Ihren Fuß erwischt habe?“

      „Logisch!“, kam die dumpfe Antwort. „Ziehen Sie mal. Ich hab hier eine Luftblase, aber nicht mehr lange. Los doch!“

      Sie zog, aber es rührte sich nichts. „Fester, Mensch!“

      „Und wenn Sie sich dabei verletzen?“

      „Mein Risiko. Los, ordentlich ziehen!“

      Sie zerrte aus Leibeskräften, und schließlich bewegte sich der Stiefel. Hoffentlich hatte sie ihn seinem Besitzer nicht bloß vom Fuß gerissen! Nein, der Fuß steckte noch drin, und es folgte ein langes Bein in völlig verdreckten Jeans. Aber nur eins! Er musste