J. B. Hagen
Sieben
Hét
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Inhaltsverzeichnis
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Prolog
Es war bereits später Abend in Rákosmente, dem XVII. Bezirk in Budapest, als der dunkle Pkw vor einem der hübschen Häuser mit großzügigem Garten parkte. Die beiden schwarzgekleideten Gestalten stiegen zunächst nicht aus, als wollten sie ganz genau die Örtlichkeit erkunden und auf keinen Fall gesehen werden. Eine unnütze Vorsichtsmaßnahme, denn in den meisten Häusern brannte zwar noch Licht, aber die Bewohner saßen vor dem Fernsehapparat und genossen den Feierabend und hielten sich eben nicht auf der Straße auf.
Kovács Máté und seine Frau Zsófia, ein nicht unvermögendes Rentnerehepaar, hatte überlegt, das Gózon Gyula Kamaraszínház, das einzige Kammertheater von Budapest aufzusuchen, doch die Chance, Karten ohne Reservierung zu bekommen, war nicht sehr hoch, und ein Kino, das man einfach so besuchen konnte, gab es in Rákosmente schon lange nicht mehr, denn nach dem Regimewechsel waren alle Kinos im Bezirk wegen mangelnder Rentabilität geschlossen worden. Im östlichsten Bezirk der ungarischen Hauptstadt gab es seit den 1970er Jahren auch große Plattenbauten, doch darin hätten sich die Kovács’ nicht wohlgefühlt. Es ging nichts über ein Häuschen mit Garten, und Zsófia war glücklich, dass Máté ihr diesen Traum erfüllt hatte, als die Grundstückspreise noch nicht explodiert waren. Die ruhige Straße blieb weitgehend vom Fluglärm verschont, denn sie lag weit genug entfernt vom Flughafen Budapest, der zwar offiziell zum 18. Bezirk gehörte, doch berührten die beiden Landebahnen auch das Gebiet des 17. Bezirks.
Zsófia nippte an ihrem Glas Wein und fand das Fernsehprogramm an diesem Abend nicht sonderlich interessant. Lächelnd stellte sie fest, dass Máté schon langsam die Augen zufielen, als es plötzlich an der Tür läutete. Máté schreckte hoch und sagte:
»Jetzt wäre ich doch beinahe eingeschlafen.«
»Beinahe ist gut, meinte seine Frau, »ich habe jeden Moment erwartet, dass du anfängst zu schnarchen. Gehst du aufmachen? Wir erwarten zwar keinen Besuch, aber vielleicht will einer der Nachbarn etwas von uns.«
Der alte Mann erhob sich schwerfällig, ging zur Tür und betätigte die Sprechanlage.
»Ja, bitte?«
»Entschuldigen Sie, wir brauchen Hilfe. Meine Frau ist gestürzt und hat sich den Kopf aufgeschlagen«, erklang eine jüngere, männliche Stimme» vielleicht können Sie einen Rettungswagen rufen. Bei meinem Handy ist nämlich der Akku leer.«
Kovács Máté drückte auf den Summer, öffnete die Haustür und sah, wie eine junge Frau gestützt auf ihren Mann durch die Gartenpforte kam. Die langen Haare fielen ihr ins Gesicht, da sie den Kopf etwas gesenkt hielt. Auch sein Gesicht konnte man nicht erkennen, weil der Schirm seiner Kappe einen tiefen Schatten warf. Máté, der kein misstrauischer Mensch war, schöpfte keinen Verdacht. Ein Fehler, den er mit seinem Leben bezahlen sollte.
Kaum waren die fremden Leute an der Tür, als er einen heftigen Stoß erhielt, der ihn taumeln ließ. Blass vor Schreck fiel ihm auf, dass die junge Frau plötzlich wieder normal gehen konnte und keineswegs eine Kopfverletzung aufwies.
»Pass auf, Zsófia!«, rief er, als die Fremde an ihm vorbei in den Wohnraum hastete.
Doch es war schon zu spät. Die alte Frau war starr vor Schreck und leistete keine Gegenwehr. Sie wurde hart am Arm gegriffen und nach oben gezerrt.
»Du zeigst mir jetzt, wo du deine Schmuckkassette aufbewahrst«, hörte sie eine schneidende Stimme, »ich vermute, im Schlafzimmer. Also mach keine Dummheiten, dann passiert dir nichts!«
Eine glatte Lüge, denn im Schlafzimmer ging es der Fremden nicht schnell genug, sodass sie ausholte und der alten Frau mit der Faust ins Gesicht schlug. Kovács Zsófia schrie vor Schmerz auf und spürte, dass ihr Mund sich mit Blut füllte, weil ihr ein Zahn ausgeschlagen worden war. Brutal wurde sie aufs Bett geworfen und mittels Klebeband wie ein Paket verschnürt. Auch der Mund wurde ihr verklebt, sodass nur ihre schreckgeweiteten Augen und die schmalen Nasenlöcher verschont blieben. Derweil sich die Fremde über die Schmuckschatulle hermachte, verschwendete sie keinen Blick mehr auf die alte Frau. Es war ihr schlicht egal, ob diese ersticken oder einen Herzanfall erleiden könnte.
In der Diele wurde Máté mittel eines gezückten Messers in Schach gehalten.
»Du sagst mir jetzt, wo ihr euer Geld liegen habt. Wahrscheinlich im Safe. Also, wo ist er?«
»Was erlauben Sie sich, mich einfach zu duzen, Sie unverschämter Mensch? Sie dringen hier in mein Haus ein und stellen Forderungen. Wer gibt Ihnen das Recht dazu?«
»Quatsch nicht! Wenn dir dein Leben lieb ist, führst du mich zu deinem Bargeld, oder meine Freundin schneidet nach und nach ein paar Körperteile deiner Frau ab.«
»Nein, bitte! Sie können alles haben, aber tun Sie uns nichts!« Erst jetzt fiel Máté auf, dass die Fremden keine Masken trugen und somit befürchten mussten, später erkannt zu werden. Ein schlechtes Zeichen, das den alten Mann ernsthaft um sein Leben und das seiner Frau fürchten ließ. »Der Safe ist hinter dem Bild im Wohnzimmer. Das mit den großen Blumen.«
»Na also, geht doch! Wie ist die Kombination oder braucht man nur einen Schlüssel?«
»Ja, den gebe ich Ihnen. Einen Moment!« Mit zitternden Beinen lief Máté zum Schrank, nahm ein Buch heraus, klappte es auf und reichte den Schlüssel weiter.
»Gut, mitkommen!«
Im Schlafzimmer musste der alte Mann die gleiche Prozedur über sich ergehen lassen wie zuvor seine Frau. Völlig verschnürt und verklebt wurde er brutal aufs Bett geworfen, wo er ängstlich zu Zsófia hinsah und erleichtert feststellte, dass sich ihr Brustkorb noch hob und senkte.
Die Angreifer leerten seelenruhig Safe und Schmuckschatulle aus, verstauten alles in zwei großen Plastiktüten, die jeder von ihnen problemlos unter der Jacke verstauen konnte und gingen anschließend zurück ins Wohnzimmer.
»Wenn ich mich hier so umsehe«, sagte die Frau, »ein paar antike Stücke könnten mir schon gefallen und würden ein hübsches Sümmchen bringen.«
»Nein, es wird schwer genug sein, den Schmuck an den Mann zu bringen. Und was das hübsche Sümmchen betrifft, der Safe war randvoll mit Geldbündeln und Goldmünzen, wie dir nicht entgangen sein dürfte. Außerdem: je weniger wir dabei haben, wenn wir das Haus verlassen, desto besser. Falls uns jemand sieht. Also sei nicht so gierig und komm!«
Als beide scheinbar unbemerkt das Haus verließen und wenig später abfuhren, war Zsófia schon erstickt und Máté vor Aufregung einem Herzschlag erlegen. Es sollte drei Tage dauern, bis man sie fand.
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