Klaus Ulaszewski
Selbstverständlich Pistolen
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Inhaltsverzeichnis
1 Der Auftrag
Ein heißer Sommermorgen also markiert den Beginn dieses ebenso unvermeidbaren wie auch lebensgefährlichen Vabanquespiels.
Endlich sieht er es vor sich, rational und klar, nicht mehr nur als Hirngespinst, wie für lange Zeit zuvor, sondern fest umrissen und absolut einleuchtend und sicher beherrschbar in all seinen Risiken. Kein Argument mehr, und sei es noch so stichhaltig, könnte ihn umstimmen, geschweige denn aufhalten. Weder würde er zurückschauen noch irgendeinem seinen Verstand verdunkelnden Zweifel nachgeben. Das Licht am Ende des Tunnels im Blick, würde er voranschreiten, unbeirrbar bis zum Schluss.
Zwei quälende Jahre lang war er versunken gewesen in Selbstmitleid, hatte er keinen Ausweg gefunden, aus dieser ihm über alle Maßen bedrückenden Situation. So konnte es, so durfte es nicht weitergehen, nicht, wenn er seiner Existenz noch etwas abgewinnen wollte, bevor sie als vollends verwirkt in der Bedeutungslosigkeit verschwinden würde. Er wird kämpfen, sich rehabilitieren müssen, um zu überleben, etwas von Grund auf Außergewöhnliches vollbringen müssen, um eine zweite Chance zu erhalten.
Der puren Verzweiflung entwuchs der Keim für die Idee, für die Lösung, die späte Rettung versprach, aus einem Dasein unerwarteten, aber auch folgerichtigen Leids. Wochenlang trug er sie in sich, wog das Für und Wider ab, bis er von der Richtigkeit - nein, Notwendigkeit! - überzeugt, eine Entscheidung traf. Eine Entscheidung, der Taten folgen mussten. Taten, derentwegen er jetzt hier steht.
In seinem Rücken das geschäftige Treiben der von der Sommersonne aufgeheizten Rittensteiner Straße. Vor seinen Augen die graue Fassade einer großbürgerlichen Häuserzeile, auf der der aufgesprühte Hinweis 'Agentur' in eine Durchfahrt zum Hof weist. Den ersten Schritt noch nicht bewältigt, erschreckt ihn das Hupen eines unmittelbar neben ihm vorbeipreschenden Wagens, der sogleich in der dunklen Öffnung verschwindet. Er folgt ihm in einen patiohaften Innenhof. Wirre Geflechte eines verwachsenen Efeus überziehen die maroden Umfassungsmauern. Aus den Fugen der altersblanken Pflastersteine wachsen Moose und kümmerliche Gräser. Im Schatten eines knorrigen Apfelbaums parkt der soeben auf den Hof gefahrene Wagen, ein hellgrauer Saab Cabrio älteren Baujahres. Punktförmige Lackschäden und der Kot der Baumbewohner teilen sich die Motorhaube. Gegenüber umstellen vier Stühle einen wettergegerbten Holztisch. In einer Mauerecke liegt ein aufgerollter Gummischlauch unter einem tropfenden Wasserhahn. Auf der verwitterten Klinkerfassade einer in die Jahre gekommenen Hofwerkstatt entziffert er den bis zur Unleserlichkeit verwitterten Schriftzug 'Bestattungsinstitut Delius'. Darunter endet ein gebäudelanges Fensterband an einer gläsernen Tür, dem einzigen Zugang.
Er drückt den Knopf der Sprechanlage.
»Ja bitte?«, fragt eine Frauenstimme umgehend.
»Ich möchte ein dringendes Anliegen besprechen«, erklärt der Mann und steht nach einem kurz darauffolgenden Summen im Foyer der Agentur 'DSCHINN & JEANNIES', wie die grünlich leuchtenden Buchstaben über dem Empfangstresen am Ende des Raumes verkünden.
»Augenblick bitte, ich bin gleich bei Ihnen«, ruft eine Frau vom Tresen aus herüber. Den Kopf zum Monitor geneigt, fliegen ihre Hände über eine Tastatur, bis sie ein letztes Mal kontrapunktisch in die Tasten trommelt und gewandt aus ihrem Stuhl hüpft. Sie streift ihren Rock glatt, zieht die