Till Angersbrecht
Die Weltenretter
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Inhaltsverzeichnis
Einleitende Bemerkungen des Chronisten
9. Die Hochzeit von Himmel und Schwefel
11. Abendgesellschaft im Schlosspark
Einleitende Bemerkungen des Chronisten
Die WeltenRetter
Till Angersbrecht
Was passiert, wenn angereichertes Uran zu einem Klumpen zusammenfügt und dieser dann kontinuierlich vergrößert wird, das weiß heute jeder. Irgendwann wird die kritische Masse erreicht, explosionsartig vermehren sich die freigesetzten Neutronen, und auf einmal entsteht statt eines harmlosen Klumpens ein Feuerball, der ganze Städte verbrennt und verschlingt. Doch was passiert, wenn man die größten unter uns lebenden Geister auf einer Insel zusammenruft, so dass die dadurch entstehende Masse an menschlicher Intelligenz sich zu ungeahnter Intensität entfaltet? Dieses Experiment ist bisher noch nie angestellt worden, aber es hat – wenn auch von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt – tatsächlich stattgefunden. So viel steht bereits fest: Eine Explosion nuklearen Ausmaßes war nicht zu beobachten; im Gegenteil, das Experiment verlief derart geräuschlos, dass selbst die Erinnerung an dieses Ereignis spurlos zu verschwinden drohte. Außer den Betroffenen selbst hätte dann niemand nach zwanzig, dreißig Jahren davon etwas gewusst.
Nein, ganz so darf man über die Begebenheit nicht reden. In führenden Tageszeitungen konnte man einen Artikel aus der Hand eines gewissen Herrn Felix Federlein lesen, der die denkwürdige Zusammenkunft in folgenden Worten beschrieb.
„Wissenschaft ist heute die Hoffnung, von der die Menschheit nicht nur ihre Zukunft in Wohlstand und Freiheit, sondern sogar das eigene Überleben abhängig macht. Merson Island, eine bis dahin unbekannte und eigentlich völlig unbedeutende Insel im südlichen Stillen Ozean, die allerdings durch den Gymnopterus maximus und seine erstaunlichen Fähigkeiten eine Weile ins Rampenlicht öffentlicher Beachtung geriet, genoss für eine Woche das Privileg, die größten Namen der zeitgenössischen Gelehrsamkeit zu begrüßen. Da trafen in einer exotisch-üppigen Natur - eingeladen von einem exzentrischen Lord und großen Förderer des fortschrittlichsten Wissens - Physik, Neurologie, Biologie, Superdatistik und Sulfo-Zölo-Gamie aufeinander, und zwar in Gestalt der in ihren Fächern weltweit führenden Avatars. Jeder der Anwesenden war sich bewusst, einem Feuerwerk des Geistes beizuwohnen, das den Weg der Menschheit noch für das kommende Jahrhundert beleuchten wird. Merson Island sollte ein Meilenstein in der Geschichte menschlichen Fortschreitens sein.“
Dieser Artikel versetzte mich in einige Unruhe, denn, wie ich schon sagte, blieb dieses angeblich wegweisende Ereignis sonst völlig unbeachtet. Auch fielen mir sehr schnell merkwürdige Widersprüche ins Auge. Geht es nun um Wohlstand und Freiheit oder nur um das Überleben? Zudem hatte ich auf Umwegen gehört, dass einige der Teilnehmer sich bitter über die Zustände auf der Insel beschwerten. Sie seien vom ersten Tage an ausspioniert und von einer rabiaten Lady wie unmündige Schulbuben behandelt worden. Was mich gleichfalls wunderte, waren Ausdrücke wie Sulfo-Zölo-Gamie, die der Journalist Felix Federlein so verwendet, als müssten sie jedem geläufig sein. Ich aber höre davon zum ersten Mal.
Offensichtliche Ungereimtheiten wie diese erregten nicht nur meine Aufmerksamkeit, sondern beunruhigten mich so sehr, dass ich mich entschloss, der Sache nachzugehen. Dabei gelangte ich schon bald zu einer überraschenden Einsicht. Die Zusammenkunft der größten Gelehrten des Globus auf der kleinen Pazifik Insel hat sehr wohl eine Spur in der Geschichte hinterlassen, eine Spur von größter Bedeutung für unsere Geschichte - nur wird darüber bis heute geschwiegen. Als selbstverständlich nehmen wir beispielsweise hin, dass die Menschen vom Reich der Mitte uns mittlerweile in beinahe jeder Hinsicht den Rang ablaufen. Diese Dominanz, die sie mit einer expansiv-aggressiven Politik verbinden, betrachten wir als ein Naturereignis, dem wir uns ebenso duldsam zu unterwerfen hätten wie einem Vulkanausbruch, der Meereserwärmung oder dem Abschmelzen der Pole. Wir verschweigen, ja wir unterschlagen, dass es sich in diesem Fall keineswegs um ein unabwendbares Schicksal handelt, sondern um ein welthistorisch folgenreiches Versehen, dessen