Ein ganz böser Fehler?. Mike Scholz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mike Scholz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754131466
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du besser, du verschließt deine Geschmacksnerven", bekomme ich vom Älte­ren zu hören.

      "Oh Scheiße!" Nach nur einer Stunde hier bin ich schon bedient.

      *

      Nach dem Essen kommt eine Ärztin. – "Guten Tag, ich bin Dr. Christoph", stellt sie sich vor, "die leitende Ärztin hier."

      "Guddag. Wiecheess, brauch jawoll niers zuerzähl, ni?"

      Sie deutet ein Lächeln an, das verschwindet jedoch sofort wieder für die mitleidige, Vertrauen erheischen wollende Miene; mit ihren ungefähr 55 Jahren, den vollständig ergrauten Haaren und dem schlanken Äu­ßeren wirkt sie so weise und endlich wie Hexe Baba­jaga, als diese Naschenka in ihr Häusl lockte. In mir sträubt sich alles, ihr die Hand zu reichen. Alles an ihr wirkt so einstudiert, aufgestellt, zu künstlich. Mit Si­cherheit sieht sie dies tausendmal am – na gut, nicht am Tag, auch nicht in der Woche, aber zumindest im Jahr. Da ist sie natürlich völlig abgestumpft. Doch vielleicht täusche ich mich, wir werden sehen. Und außerdem – wenn ich ja sowieso nur ein paar Wochen hier bin, dann ist das doch völlig unwichtig.

      "Sie sind im Rehabilitationskrankenhaus Großbü­chen auf der neurologischen Station", informiert sie mich. – Endlich mal werde ich über etwas informiert! – "Hier werden wir versuchen, Sie wieder aufzubau­en, damit Sie in das Stadtleben zurückkehren können. Würden sie mir bitte genau sagen, wie Ihr Unfall pas­siert ist?"

      "Keenahnun! Ich weeß nimma, obaübhaupt eene wa."

      "Alles klar. Und was für eine Schulbildung haben Sie?"

      "Beufsbidung miAbi. Ichaba Motonschlossr ge­lent."

      "Und, wie soll es bei Ihnen weitergehen?"

      "Na eijent-ich wärch jetz as Beteuer in UssA. Do­daisja erstma hinfällch gewoden. Weitnhin habch Lei­pig ne Tudienlassung fürn Pädagikstudum Fachtung Deutsch/Elisch."

      "Oh, dann gehören Sie ja zu der intelligenten Sor­te. Haben Sie noch vor, es zu absolvieren?"

      Wundern: "Na loisch. Warumdn ni?"

      "Hm, hätte ja sein können. Waren Sie schon mal in einem Krankenhaus?"

      "Na, afang mite Gebut", fange ich an aufzuzählen, "dann warich ma, alsch viewa, wegn Kellkoppgippim Kanknhaus – das wars." Brauch ja nicht zu wissen, dass ich vor kurzem wegen Tripper einsaß, da bei mir die Penizillinspritze nicht wirkte.

      "Haben Sie schon Operationen hinter sich?"

      "Na ja hm, iweeßni, obe Kieferhöhöhlenspülung ou dazuzählt. Sonwa keene."

      "Gut. Jetzt muss ich Sie mal untersuchen", kündigt sie mir an, nachdem sie sich alles aufgeschrieben hat.Danach teilt sie mir nicht etwa mit, zu welchen Er­gebnissen sie gekommen ist, sagt mir nur, dass ich ab heute Abend Cerutil bekomme und morgen die Be­handlung losgehe. "Haben Sie eigentlich Kleidung hier?", will sie stattdessen wissen.

      "Nee, aberich hoff, da meie Mutter heukomm un­welch mitbingt. Am Telefon hatses zuminst gesach."

      "Da kommt sie bestimmt auch. – Ab Sonnabend bin ich für zwei Wochen im Urlaub. Haben Sie noch irgendwelche Fragen?"

      Soll ich sie nach den Resultaten der Untersuchung fragen? Andrerseits macht sie auf mich nicht den Eindruck, als würde sie mich ausreichend aufklären wollen. Dann eben ein anderes Mal.

      *

      Was mache ich nun?, steht die seit ein paar Wochen ewig existierende Frage wieder im Raum. Und wie so oft bleibt mir nur das salomonisches Urteil: Erst mal Lage sondieren.

      Was zu meinem Bedauern aber nicht so einfach ist, da meine Brille am Sonntag durch meine eigene Schuld – ich habe mich auf sie darauf gesetzt – ka­puttgegangen ist. Von meiner Schwester war sie am Montag zwar mitgenommen worden, aber seitdem hat sich niemand mehr blicken lassen – außer Pia natür­lich. Und komischerweise sehe ich hier drin noch schlechter als in der ITS. Ebenso fällt mir das Aufste­hen viel schwerer, und bis zum nächsten Locus, an dem man sich festhalten könnte, ist es furchterregend weit. Mir bleibt also nur das Aufrichten. Doch bevor ich beginnen kann, mich abzumühen, geht die Tür auf. Kommt meine Mutter? Zeigt Pia ihr niedliches Antlitz?

      Jemand im rosa Kittel erscheint, jemand den ich nicht kenne; und auch die Bedeutung des Kittels ist mir fremd.

      "Guten Tag. Ich bin die Physiotherapeutin Frau Miller."

      Physiotherapeutin – was soll das sein?

      "Ich habe die Aufgabe, mit Ihnen Krankengymnast­ik zu machen, Sie wieder aufzubau­en." Sie lächelt dabei, sieht gut und stabil aus (frie­densbereite Amazone), erfrischend. Auch ist sie mir bedeutend sympathischer als die Ärztin. Und mit ihr scherzen scheint man auch zu können.

      "Na damaran", bedeute ich ihr. "Dasiegen gehmir nämi offn Gist."

      "Morgen geht es erst los. Ich wollte nur mal kom­men, um zu sehen, welche Aufgabe auf mich wartet. Und deshalb werden wir mal was probieren."

      Sie macht daraufhin Übungen mit mir, die ich schon von der ITS her kenne – deswegen stößt sie manchmal einen Überraschungsjauchzer aus, weil es so gut klappt – und auch einige Übungen, die mir noch nicht geläufig sind. Zum Beispiel soll ich ihr die Hände drücken, einmal mit rechts und einmal mit links. Oder den Daumen und den kleinen Finger zu­sammenbringen. Oder mich an den Füßen kitzeln.

      "Links ist gut", meint sie hinterher, "nur rechts lässt zu wünschen übrig."

      "Mit echts habch übest Pobeme, richtsch", kläre ich sie auf.

      "Okay. Morgen komme ich wieder. Um 9.00 Uhr. Dann geht es voll los."

      "Ich bi schafafSe. Wie schät issn eigetlich?"

      Sie schaut auf die Uhr: "15.l0 Uhr. Tschüss."

      *

      So, und was tue ich nun? Wieder die obligatorische Frage. Durch die Gegend wandeln kann ich nicht, zum Lesen habe ich keine Lust. Meine Mutter müsste ja gleich kommen. Allerdings bis dahin dazuliegen wie fest geleimt, ist auch nicht mein Ding. Also richte ich mich auf im Bett, was soll ich sonst machen.

      In der ITS ging das viel leichter vonstatten. Aber das liegt wohl an den hier anwesenden Kuhlen, durch die man sich vorkommt wie beim Klettern an einer steilen Felswand. Trotzdem kann ich aber von hier aus das Fenster richtig sehen und durchgucken. Was hier aber noch uninteressanter ist. Außerdem saß ich dort am Fenster und nicht paar Meter davon entfernt.

      *

      Nach einiger Zeit – keine Ahnung wie vieler; auf alle Fälle viel zu vieler – gibt es Abendbrot.

      "Wie schät issn?", frage ich die attraktive Schwes­ter, die, wie sie mir erzählt hat, Gabi heißt.

      "17.00 Uhr. Erwartest du noch jemanden?"

      "Eigetich ja, dodas hasich wohl erledit. Meie Muttr wollaut Telfon heu hier offauchn; abes Telefon is kanntich geduldig."

      "Na ja, die Besuchszeit ist schon vorbei, aber sie kommt bestimmt morgen. Ich glaube nicht, dass sie dich hier hängenlässt. Sie ist doch deine Mutter."

      "Jaa, dasalelelerdings", erwidere ich bedächtig. Denn in mir drin hat sich ein weiteres Puzzleteil von meiner Beziehung zu ihr gefunden: Sie ist so zuver­lässig wie eine Boa, welche dem Kaninchen erklärt, dass sie es nicht fressen wird. Und scheinbar will sie dieser Offenbarung Nahrung geben, auf dass sie sich noch tiefer in mein Hirn einpflanzt. Auf jeden Fall bin ich jetzt äußerst missgelaunt.

      "Kurz, bevoch hekam", erzähle ich nun Gabi, ob­wohl es mir scheint, als wenn die Zeit in der ITS Lichtjahre weit weg liegt, "wolle sesich undingt stei­ten. Meie Schwestr haf dalei. Irgendn – irgendeen Wort sollch sagt ham, was abr ni der Wikichkeit ent­spach. Logischrweis liessch mi dani gefalln. Und so sindse dann eben wüten abzogn."

      "War das echt nötig?", will sie wissen.

      "Ja, dennan dafja schließich ni vonner Rang­fo-fo-folge ab-wei-ch-ch-en. Also musstichn zeign,