Ein ganz böser Fehler?. Mike Scholz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mike Scholz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754131466
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ihr gleich so deutlich zu verstehen geben?"

      "Eeh", weise ich sie darauf hin, "wärich dodal deut--lich gewäsn, hättch zuir gsagt: 'Verpissich!' Denni wollt mitir alleisein."

      Ihre Gesichtszüge enthärten sich. "Aber das nächs­te Mal beherrscht du dich. Versprochen?"

      "Ich versuch."

      Damit habe ich dieses Thema in die Rumpelkam­mer geschickt; nun sind wir allein und genießen das.

      *

      Abendessen. Feierabend für heute.

      Im Zimmer ist ein neuer Patient. Er soll laut Schwestern ein ziemlich schwerer, annähernd hoff­nungsloser Fall sein.

      Wahrscheinlich hängt das damit zusammen, dass er so was wie ein Miesepeter ist. Sieht auch recht un­sympathisch aus, der Kunde. Oder wird von den Schwestern was anderes gemeint mit "wird nicht mehr"? Ach, egal, was geht es mich an? Übermorgen verschwinde ich hier. Und nach mir die Sintflut.

      *

      Ich schlafe. Plötzlich merke ich, wie mir etwas den Hintern entlang kraucht.

      Möglicherweise ist das der neue Alte, dem traue ich das zu. Sein Bild will mir nicht aus dem Sinn ge­hen.

      Ich schlage mit der linken Hand nach hinten. Und bleibe an der Hose hängen.

      Hä, was ist das??? – Scheiße, im wahrsten Sinne des Wortes. Doch – eigentlich logisch, denn seit ich hier bin, habe ich noch nie ein Ei gelegt. Dann wird man auch noch von diesem Alten geistig manipuliert. Was mache ich jetzt? Geht ja wohl nur klingeln, ääh, denn damit schlafen kann man ja schlecht.

      Ein Pfleger kommt: "Was ist los? Warum klingelst du?"

      Mann, ist das peinlich! – Ich beschließe, auf die Zeichensprache zurückzugreifen und zeige nach hin­ten.

      Er muss es richtig analysiert haben, denn er fängt an zu fluchen. Dann ruft er eine Schwester herbei und holt neue Sachen.

      "Tumi furch--bar traurig unis mir unheim--lich peilich, arder Alte darüben hat mich mani-äh-ma­ni-äh-puliert", versuche ich mich leise und mit schüch­ternem Tonfall zu rechtfertigen, denn weder für die Schwester noch für den Pfleger dürfte es ein Genuss sein, mir die Musrinne auskratzen zu müssen; und mir selber macht das auch keinen Spaß.

      "Ich möchjetz off Tolte, damits ninoma paiert."

      "Das möchte ich auch hoffen. Hier hast du einen Nachtstuhl."

      Ich schweige. Sitze nur noch bedrückt da – wobei mir der Blödsinn klar wird, den ich gerade dem Pfle­ger erzählt habe: – Scheißen tust du selber, niemand anders; oder meinst du, dir hält jemand ein Saugrohr ans Arschloch??

      Aber es bleibt beim Versuch. Darum lasse ich mich zurück ins Bett fallen.

      12

      Dienstag, 18. September.

      Als ich früh aufwachte, fiel mir sofort wieder ein, was letzte Nacht geschehen war. Das Peinlichkeitsge­fühl stieg in mir erneut auf, wollte mich schier erdrüc­ken, machte mir klar, dass es die ganze noch verbleib­ende Zeit über mich herrschen würde. Mir kam es auch so vor, als wenn jede Schwester verächtlich auf mich gucken würde. "Zum Glück ist es bloß noch ein einziger Tag, den ich hier aushalten muss", redete ich mir immer wieder ein. "Aber dieser eine wird wahr­scheinlich so schmerzen, als wenn man bei Bewussts­ein in einem kurz vor dem Zerschmelzen ste­henden Kessel gegart wird."

      Der Pfleger, der die Krankengymnastik leitet, frag­te natürlich auch nach der gestrigen Nacht. Und ich fand es toll, dass er darüber im Bilde war.

      "So schlimm ist es doch nicht", meinte er, als ich es ihm mit Worten geizend erzählt hatte. "Kann halt mal passieren."

      Ich hätte ihn anschreien können: "Das hat aber nicht zu passieren!", doch ich ließ es. Befinde mich heute nicht in der Stimmung, Widerstand zu leisten; will mich am liebsten einbuddeln in den Boden, das letzte Nacht hier Passierte wegschließen und den Schlüssel ganz weit, unauffindbar für jedermann, wegwerfen. Auch verzichte ich heute darauf, den Schwestern auf den Geist zu gehen. Ich verschanze mich im Bett, lese oder übe schreiben. Und kann mir vorstellen, für die Schwestern muss das eine wahre Erholung sein.

      Doch eine Schwester ist davon nicht so begeistert. Nach dem Mittagessen fragt sie mich, warum ich heu­te so schweigsam sei. Ich erzähle es ihr stockend und erwarte sofort eine strenge Rüge; hätte mich auch nicht gewundert, wenn als Schlagzeile am schwarzen Brett im Krankenhaus erschienen wäre: In der Nacht vom 17. zum 18.9. schiss Mike Scholz sich ein! Schä­men soll er sich!

      "Nimm es nicht so tragisch, das kann doch jedem mal passieren", versucht sie jedoch, mich wieder auf­zurichten. "Lass wieder ein paar Sprüche raus, man vermisst sie ja richtig."

      "Na ja", stoße ich aus mir raus, überrascht und ein klein wenig gelöster, doch immer noch eine Spur misstrauisch, "wenn demidrum bittest, musschjawohl. Aer dafür, wasde mir grad gsagt hast, vielen Dang! Du könntst deie Brötchen ouals Pch--Ps--Ps--sycholo­ge verdienen. HasTalet dazu."

      Sie lächelt: "Muss ich mir noch überlegen. – Willst du wieder ans Fenster?"

      "Gehschul wärmir lieber."

      Sie lacht lauter: "Okay, wir laufen zum Fenster. Einverstanden?"

      "Zum Tisch wärmir lieber."

      *

      Am Abend erfahre ich dann noch, dass meine Mutter angerufen und gesagt habe, sie komme mich am Mitt­woch in Großbüchen besuchen und bringe mir dann Wäsche mit. Worauf ich mich freue.

      13

      Der letzte Morgen – Mittwoch, 19. September.

      Ich bin unheimlich nervös. Denn noch sitze ich nicht draußen, sondern nur in der Nähe des Ausgan­ges. Ich traue dem Frieden nicht, glaube erst, dass es wirklich passieren wird, wenn ich es sehen kann. Zwar bin ich nicht mehr im Bett und eben dieses Bett wurde schon neu bezogen, und auch mein weniges hier befindliches Hab und Gut wurde schon zusam­mengepackt, doch ich bin noch nicht weg hier. Und genau das ist entscheidend. Denn dann werde ich se­hen, ob es stimmt, dass ich nicht mehr laufen kann.

      Plötzlich wird mir von den Schwestern gesagt, dass jetzt der Abschied gekommen sei. "Gute Besse­rung, Mike! Und komme uns mal besuchen, damit du uns erzählen kannst, wie das dort mit dem Laufen ge­macht wird."

      "Okay. Un ihr wa sehr nett. Tschüs-si!"

      Leben oder Tod?

      „All that is, was and will be …” (Metal­lica)

      1

      Endlich woanders – Ändert sich jetzt alles für mich? –, In einem Drei-Bettzimmer; und dort in der Mitte, was ich nicht so liebe. Aber ich kann es mir nicht aussuchen, in dem Zimmer liegen schon zwei: Der eine ist über 50 und der andere ungefähr 25, beide scheinen ganz okay zu sein. Der ältere ist sich sicher, dass er diese Woche geht. Keine Ahnung, was er hat oder hatte, er weiß es selbst nicht. Der jüngere hat zuviel gesoffen, hat Leberprobleme. Ist aber nicht ge­neigt, diesem Alkoholproblem abzuschwören; findet stattdessen, was er schluckt, ist nicht viel. Doch über die beiden kann man herzhaft lachen – soweit man lachen will –, weswegen es nicht so trist ist wie in der ITS.

      Kurz nachdem ich angekommen bin, gibt es Mit­tagessen.

      Oje, stelle ich angewidert fest, gegen das in der ITS kann man es ja glatt vergessen. Die blanke Gele­genheit zum Abnehmen. Obwohl – ich habe es doch gar nicht nötig, bin ja eh nur bisschen über sechzig Kilo – oder jetzt vielleicht sogar drunter? –, und das ist ja bei einer Größe von 1,73m absolut nicht viel. Doch was soll's? Da werden wieder Erinnerungen an die Flottenschule wach: Hunger treibt es rein, Ekel runter.

      "Samal", frage ich die anderen, "isasEssen immo­der