Ein ganz böser Fehler?. Mike Scholz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mike Scholz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754131466
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lehnt sich auf. Niemand mehr zum Dreck-Wegräumen. – Denn meine Schwester macht es auch nicht. Ist aber eigent­lich normal. Denn sie war ja immer das Hätschel­kind, brauchte nie irgendwas zu machen.

      "Wenn wir wiederkommen sollen, wirst du dir überlegen müssen, wie du uns gegenüber auftrittst!"

      *

      Wieder allein. Aber immer noch bin ich so wütend, dass ich irgendetwas in Asche kloppen könnte. Das verwundert mich. Denn vor gar nicht so langer Zeit war dies für mich völlig untypisch, da blieb ich auch bei so einem Thema ruhig und wurde zynisch. Doch jetzt bin ich davon weit entfernt. Merkwürdig. Aber – bin ich überhaupt Mike Scholz? Doch so viele Leute, wie hier sind, die können doch nicht alle in einem Komplott drinnestecken! Und was für einen Grund sollte man dazu haben? Arbeitet meine Mutter plötz­lich hier und lässt sich nur ab und zu bei mir blicken, damit es nicht auffällt? Will man mich hier etwa ver­faulen lassen? Was hat Pia damit zu tun? Fragen über Fragen – schon wieder –, doch ich weiß keine Antwort! – Schon wieder. – Nur eine: Ich kann nie­manden danach fragen, sonst stecken die mich wirk­lich in eine Klapper.

      Ich greife nach einem Buch und beginne zu lesen.

      10

      Sonntag, 16. September. Früh. Visite.

      "Guten Morgen", begrüßt mich der Chefarzt. "Sind die Bauchschmerzen weg?"

      "Schein so." In der Nacht spielten paar Trampeltie­re in der Nähe meines Magens Hascher, was für mich ziemlich unangenehm war. Erst irgendwelche Trop­fen ließen mich zu Morpheus zurückkehren.

      "Na ja, Sie werden sich überfressen haben. Nichts weiter."

      Ich muss unwillkürlich grinsen. Klingt so – na ja, ich weiß nicht wie, auf jeden Fall regt es mich zum Grinsen an.

      Er will nun gehen, doch ich habe noch ein sehr wichtiges Thema auf dem Herzen: "Ich äh hab gesten schoma davoon gesprochn unich soll noma nach­fragn: Wie siehsaus – bekommich Urlaub nächses Wochende?"

      Alle Ärzte und Schwestern lächeln einander zu. Dann ergreift der Chefarzt wieder das Wort: "Ich wollte es ihnen ja eigentlich erst morgen sagen, doch sie fordern mich ja förmlich dazu auf. Also" – er schaut noch einmal durch die Runde – "am Mittwoch, den 19.9. werden Sie uns verlassen. Dann kommen Sie in das Rehabilitationskrankenhaus Großbüchen. Und dort können Sie dann Urlaub beantragen."

      Diese Neuigkeit hat all meine Gedanken an andere Sachen erst einmal fortgescheucht, ich muss das eben Gehörte zunächst verarbeiten. Doch meine Freude ist riesengroß: Endlich raus hier, fort von diesem Ort; dann werde ich ja sehen, ob das, was mit mir hier los ist, einen realen Anspruch hat.

      Doch Fragen habe ich noch: "Wie langerdich da­drin bleibn müssn?"

      "Bis Ihre Sprache und das Laufen wieder herge­stellt sind."

      "Wie lang wirdsauern?"

      "Das weiß ich auch nicht. Denn das hängt ganz von Ihnen ab. Allerdings so, wie Sie sich hier aufge­führt haben, wird es nicht allzu lange dauern." Er ver­abschiedet sich jetzt ganz schnell, als wenn seine Frau mit dem Nudelholz wartet, sollte er zu spät kommen. Doch mir ist klar, dass ich der wahre Schuldige bin.

      Am Mittwoch werde ich hier verschwinden. Am MITTWOCH! Und dann – dann werde ich schleu­nigst den Rückzug aus dem Rehabili-Krankenhaus antreten. Und dann? Was nach dann-Zwei ist, werde ich sehen.

      11

      Montag, 17. September. Nachmittag.

      Alles war wie immer: Krankengymnastik zweimal – bei der ich jetzt den rechten Arm und das rechte Bein langsam, kraftlos, aber doch etwas bewegen kann, die linke Seite ist von der Flexibilität her wie­der fast vollständig einsetzbar – fleißig riskieren, schreiben üben, lesen, Gehschule fordern und einmal bekommen; und doch ist seit gestern alles anders: Ich habe das Ende in Sicht, bin wie verwandelt – sprühe deswegen vor guter Laune, sehe alles etwas lockerer, nicht mehr so verbissen.

      Jetzt aber sitze ich zusammen mit meiner Schwes­ter im Besucherraum. Und was mich sehr wundert, dass sie heute nicht den Geleitschutz für meine Mut­ter darstellt.

      "Wasnit Mutti los? Warm bistn äh alleen?", will ich deswegen wissen.

      "Die ist noch sauer wegen Sonnabend. Wirst dein Benehmen wohl doch ändern müssen."

      Ich werde dadurch noch einmal in das Dilemma hineingetaucht und mir wird fast schlecht dabei. "Eh am Sonnamd habi eh ni 'warum' gsag."

      "Von mir aus. Genau genommen ist es mir egal."

      Plötzlich fällt mir ein, dass ich ihr Bescheid sagen muss wegen Mittwoch.

      "Ich sag's Mutti mit", lässt sie daraufhin von sich hören.

      Ihr Tonfall versetzt mich aber in gereizte Stim­mung. – Das klang wie: "Na gut, ich sage es ihr bei Gelegenheit. Verlass dich aber nicht darauf, dass es umgehend geschieht." – Und deswegen schustere ich mir etwas zusammen, um nachzustoßen.

      Ich mache den Mund auf, damit die Worte den Ausgang finden können, da werde ich plötzlich darin gestört: Die Tür öffnet sich.

      Ich schaue auf die über mir hängende Uhr, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass die Besuchszeit schon vorbei ist – und richtig, es ist erst zwölf nach vier!

      "Was ..." Ich breche mitten im Satz ab, denn jetzt sehe ich, wer eintritt: Pia! Sie hatte ich heute nicht im geringsten erwartet.

      "Mike, was wolltest du gerade sagen?"

      "Äääh – wasür wunschöner Nammtag", fällt mir nichts Besseres ein.

      "So so. Na ja, wenn einem nichts mehr einfällt, muss das Wetter herhalten. Ich komme wohl ungele­gen?"

      "Nieee!", beteuere ich.

      "Kann man das glauben?", schwingen in ihr noch Zweifel – scheinbar, denn sie lächelt schon.

      Ich lege meine linke auf die Brust, senke meinen Blick und verleiere etwas die Augen, so dass ich aus­sehe wie ein Unschuldslamm, das soeben geboren worden ist.

      Endlich hat sie ein Einsehen, gibt mir einen Begrü­ßungskuss, meiner Schwester die Hand und setzt sich zu uns.

      Ich erkenne, meine Schwester stört. Ich habe keine Anstandsdame bestellt, welche immer schön fleißig die Kerze hält. Folglich muss ich sie irgendwie rause­keln. Und ich weiß auch schon wie.

      "Um a vor--hin zurückzukomm – wieso sollich mei Benimme ändn? Besteh da irgendn Gund dazu? Ihrüsst doch schließ--lich einsehn, wennirechtab. Ich mir keener Schul bewuss."

      "Einen Anteil Schuld hast du schon. Du weißt doch, wie sie ist. Da hättest du sie doch nicht erst dazu auffordern müssen." Ihre Stimme wird lauter.

      Ich merke schon, ich muss noch eine klitzekleine Kelle nachlegen: "He he he, fanga an nachzudengn. Die Hautschud trächt dowohldu. Hästonierst mitter Kacke anfang müss-en."

      Jetzt wird sie wütend: "Heißt das etwa, dass ich auch gehen soll?"

      Ich fühle, wie mich das schon verloren geglaubte Gefühl des Zynismus ergreift: Lehne mich lässig zu­rück und fange an, höhnisch zu grinsen. "Nix dagegn", lasse ich sie hören.

      "Na gut!", schreit sie mich an. Dann springt sie auf, reißt die Tür auf, rennt fluchend hinaus und knallt dabei die Tür wieder zu.

      "Warum hast du das gemacht?", schaltet sich jetzt Pia ein. – Sie weiß, was am Sonnabend geschehen ist, ich habe es ihr gestern erzählt. – "Ich wage zu be­zweifeln, dass sie bei dieser Abfuhr jemals wieder­kommt."

      Und auch in mir bringt sich die Opposition zu Ge­hör: War das wirklich nötig? Hättest du sie nicht ganz normal bitten können, dich für heute zu verlas­sen? Sie hätte es bestimmt verstanden, ist doch nicht deine Mutter.

      Doch ich wische diesen Einwand weg, verweigere