Winfried Paarmann
Schutzengel im Nahflug
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Inhaltsverzeichnis
Ein Ashram auf der Erde, ein Flugzeug hoch am Himmel
Die Frau mit der Bernsteinkette
Ein Ashram auf der Erde, ein Flugzeug hoch am Himmel
Funkelnde Morgensonne. Man blickt auf einen kleinen indischen Ashram, umgeben von einem blühenden Garten. Rhododendron, Canna, indisches Blumenrohr, wilde Orchideen und Padma, der Lotus. Einer der schmalen Gartenwege führt auf ein rotes Felsplateau zu und dieses grenzt an einen blaugrün schimmernden See.
Die hohe schwebende Melodie einer Flöte. Ferner leiser Gesang.
Eine junge Frau im Sari tritt vom Ashram in den Garten, sie ist hellhäutig und trägt schulterlanges helles Haar. Eine schlanke Gestalt, ein sanftes offenes Lächeln auf dem schönen, sehr ebenmäßigen Gesicht. Ihr ganzer Körper scheint wie eingehüllt in dieses Lächeln, selbst ihre Bewegungen lächeln. Es folgt eine zweite Frau in schon etwas fortgeschrittenen Jahren, gleichfalls im Sari, dunkelhäutig, diesmal offenbar eine Inderin. Auf ihrem Gesicht spiegeln sich Strenge und Herbheit, doch auch dieses Herbe ist Schönheit, auch sie bewegt sich mit äußerster Anmut.
Beide gehen auf das Felsplateau zu.
Beide blicken auf den in der Morgensonne funkelnden See.
Jetzt ein surrender Ton, von fern, hoch in der Luft. Er verstärkt sich, wird ein sanftes Vibrieren und Rauschen. Ein Flugzeug zieht über den Himmel.
Die junge Frau mit den schmalen feinen Lippen und der zarten, leicht gewellten Nase blickt hinauf. Sie legt die Hand schützend über die Augen, der metallene Rumpf des Flugzeugs schickt einen silbernen Blitz in die Tiefe.
Gegen eines der Fenster im Flugszeug lehnt der Kopf eines jungen Mannes. Salopp gekleidet mit weißer Jacke, Jeans und beigefarbenem Tropenhemd. Etwas ungeordnete dunkelblonde Kraushaare über dem markanten sympathischen Gesicht.
Neben ihm sitzt ein Inder, etwas älter, in vornehmem blauem Anzug, er liest in einer englischen Zeitung. Jetzt hebt er kurz den Kopf und beide Männer lächeln sich flüchtig zu.
Der Blick des jungen Mannes gleitet in die Tiefe, dort funkelt wie ein silbernes Auge ein See in der Form eines kleinen Ovals. Der Spiegel der Wasserfläche wirft für Momente einen fast blendenden Strahl.
Dann wendet sich sein Blick wieder den Wolken zu, die wie bewegungslos scheinen unter dem rasch jagendes Rumpf des Flugzeugs, mit ihren weißen Landschaften wie dauerhaft in die Luft gesetzt und wie immer bevölkert von seltsamen Fabeltieren.
Zwei Wunderkinder
Hendrik durchstreifte mit seinem indischen Bekannten ein abendliches Viertel von Chennai.
Sie trafen auf eine Schaustellertruppe: Feuerschlucker, Seiltänzer, Handlinienleserinnen, ein Scherben essender Fakir, attraktive tanzende Inderinnen.
Ein französischer Tourist sprach sie an auf eine besondere Attraktion: Dies waren zwei indische Mädchen, Schwestern, die eine dreizehn die andere zwölf Jahre alt, sie sollten allein mittels ihrer Gedanken präzise kommunizieren können.
Die Mädchen saßen in getrennten Zelten, mehr als zwanzig Meter von einander entfernt, und der Test war hier jedem möglich. Man konnte einen Zettel abgeben mit einer kurzen Notiz oder mit einem Symbol und dann im anderen Zelt darauf warten, dass der Inhalt „gesendet“ wurde: Das andere Mädchen malte dasselbe Symbol in allen Details auf ein Papier oder notierte denselben Satz.
Beide saßen auf dem Fußboden, das Haar zu einem Kranz nach oben gebunden, sodass man auf die freiliegenden Ohren sehen konnte, auch sprach keines von ihnen jemals ein Wort, so dass sich ausschließen ließ, dass sie für den Nachrichtenaustausch über