Ingrid Müller
Gute Nacht, Mr. Sharon
Wie ich den Krieg überlebte.
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Inhaltsverzeichnis
Die Eingeborenen von Trizionesien
Briten und andere Katastrophen
Deutsche Erstausgabe 2015
Copyright 2015 Ingrid Müller. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt.
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K R I E G
Die Geburt
„Uuuund pressen, pressen, pressen! Hecheln, hecheln, hecheln. Uuuund noch mal pressen, pressen, pressen!“
Ich lag im Kreißsaal, und die Geburt unseres ersten Kindes stand kurz bevor. Die Hebamme schrie ihr „Pressen, Pressen, Pressen – und Hecheln, Hecheln, Hecheln“ in den Raum, und jetzt, da das Köpfchen des Kindes sichtbar wurde, drückte sie mir eine Lachgasmaske ins Gesicht. Ich glaubte zu ersticken und schrie:
„Nein, ich will das nicht!!“
Aber sie ließ nicht locker.
„Kommen Sie, das hilft Ihnen.“
„NEIN“, ich schlug um mich.
„Jetzt kommt das Kind!“
Sie hob mich in eine halbe Sitzposition und stützte meinen Rücken ab, damit ich zwischen meine Beine sehen konnte. Da kam der Kopf heraus, und während das Baby noch in mir steckte, riss es das kleine Mündchen auf und schrie. Der Arzt zog es raus. Ein Mädchen. Alles dran. Die Hebamme nahm das Kind, um es zu reinigen und zu wickeln, während der Arzt die Nachgeburt entsorgte. Dann wurde mir die Kleine in die Arme gelegt. Sie war erschöpft eingeschlafen. Ich betrachtete sie, aber meine Gedanken beschäftigten sich mit etwas ganz Anderem.
Dieses war mein erstes Kind, doch es kam mir so vor, als habe ich das schon einmal erlebt. Warum war mir alles so vertraut? Tief in den Furchen meines Gehirns gab es eine Zelle, die eine Information gespeichert hatte, und ich bemühte mich krampfhaft, diese abzurufen. Es gelang mir nicht. Tagelang überlegte ich, dann gab ich auf. Alles Einbildung. Aber plötzlich machte es „klick“, und ich wusste es.
Ich erinnerte mich daran, dass ich in meiner ganz frühen Kindheit einen ständig wiederkehrenden Traum hatte, aus dem ich jedes Mal schreiend aufwachte. Ich befand mich in einer engen Röhre und drohte zu ersticken. Ich wollte schreien, aber es ging nicht. Ich wurde vorwärts geschoben und glaubte zerquetscht zu werden. Dann sah ich vor mir einen blassen Lichtschimmer, es wurde hell und ich schrie, hörte begütigende Stimmen, und dann schlief ich ein. Ich konnte es selbst nicht glauben, aber ich habe mich an meine eigene Geburt erinnert, die in den Albträumen immer wieder ablief. Als ich etwa 6 Jahre alt war, fiel mir eines Tages auf, dass ich diesen Traum lange nicht mehr gehabt hatte, und schon damals fragte ich mich, was das wohl zu bedeuten habe. Aber ich vergaß es, bis zu dem Tag, an dem meine kleine Tochter aus mir herausschlüpfte.
Die Bombe
Es war im Januar, morgens um 7 Uhr; es war ein sonniger und frostig-kalter Tag, als ich mich entschloss, diese Erde für eine Weile mit meiner Anwesenheit zu beglücken. Und es war Sonntag. Das erzählten mir meine Eltern immer wieder, und meine Mutter fügte regelmäßig hinzu:
„ Ja, Du bist ein Sonntagskind. Und Sonntagskinder haben Glück im Leben.“ Ich dachte, irgendwann würde die Tür aufgehen und das Glück käme hereinspaziert. Zunächst aber war mein kleines Leben in Gefahr. Als ich zweieinhalb Jahre alt war, brach der II. Weltkrieg aus. Am Anfang merkten wir nichts davon, bis zu der Bombe
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Im ersten Weltkrieg wurden die Schulen in den Städten geschlossen, alle schulpflichtigen Kinder evakuiert und in ländliche Regionen verfrachtet. Mein Vater kam auf einen Bauernhof im Jeverland, und aus dieser Zeit stammte sein Kontakt zu der Bauersfamilie, der jahrzehntelang anhielt. Die Familie hatte drei Töchter, und besonders zu Annie hatte er bis zu ihrem Tod regelmäßigen Kontakt, nachdem deren Eltern gestorben waren. Für meinen Vater war diese Zeit auf dem Bauernhof wohl die beste Zeit seiner Jugend. Seitdem