Der deutsche Wortschatz. Christine Römer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christine Römer
Издательство: Bookwire
Серия: narr studienbücher
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783823301424
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hristine Römer

      Der deutsche Wortschatz

      Struktur, Regeln und Merkmale

      Narr Francke Attempto Verlag Tübingen

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      © 2019 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

      Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

      www.narr.de[email protected]

      Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

      ISBN 978-3-8233-8288-1 (Print)

      ISBN 978-3-8233-0142-4 (ePub)

      Vorbemerkungen

       Man kann die Sprache mit einem ungeheuren Gewebe vergleichen, in dem jeder Theil mit dem anderen, und alle mit dem Ganzen in mehr oder weniger deutlich erkennbarem Zusammenhang stehen.

      (Wilhelm von HumboldtHumboldt, W. von)

      Das Studienbuch Der deutsche Wortschatz, das jetzt in einer deutlich überarbeiteten, zweiten Auflage vorliegt, basiert auf dem Studienbuch Lexikologie des Deutschen. Eine Einführung (Römer und Matzke 2005) und stellt das komplexe Phänomen deutscher Wortschatz vor, indem dieses aus verschiedenen inhaltlichen und methodischen Perspektiven betrachtet wird.

      Es verdeutlicht auch, dass das Lexikon keine bloße Anhäufung von Fakten, Merkmalen und Idiosynkrasien (Irregularitäten) ist, dass das richtige Verstehen und Bilden sowie die angemessene Verwendung von Wörtern mit Regeln, Konventionen, Restriktionen sowie Traditionen und Entwicklungstendenzen verknüpft ist.

      Das Studienbuch setzt keine speziellen linguistischen Vorkenntnisse voraus. Es versucht, eine Verbindung zwischen den aktuellen wissenschaftlichen Diskussionen zum Wortschatz und dem tatsächlichen Wortwissen im Sprachgebrauch und -lernen herzustellen. Es verfolgt einen interaktiven Ansatz: Da nicht alle relevanten Themen im Rahmen eines Lehrbuchs in der gesamten Breite und Tiefe dargestellt werden können, werden die nach Meinung der Verfasserin wichtigsten Themen ausgeführt und Hinweise auf Ergänzungsquellen gegeben (mit „Siehe weiter …“).

      Das Lehrbuch ist sowohl zum Selbststudium als auch als Grundlage für Lehrveranstaltungen zum Wort und dem deutschen Wortschatz geeignet. Dem Text sind zu jedem Kapitel Hinweise auf weiterführende Literatur und Aufgaben zur Anwendung des Dargelegten beigefügt. Die Lösungshinweise sind unter www.meta.narr.de/9783823382881/Loesungen_Studienbuch.pdf zu finden.

      Mit der Neufassung des Themas „Wortschatz“ soll zum einen den Veränderungen zur modularen Organisation der Lehre an den Hochschulen im deutschsprachigen Raum und zum anderen der wissenschaftlichen Entwicklung Rechnung getragen werden. Deshalb ist ein eigenständiger Teil zu „Wortstruktur und Regeln der Wortbildung“, der in den Vorgängerversionen von Brigitte Matzke Matzke, B.verfasst wurde, nicht mehr enthalten. Anstelle dessen wird in den neu verfassten Kapiteln 3 (Komplexe Wörter) und 9 (Aktuelle Entwicklungen im deutschen Wortschatz) auf Phänomene der Wortbildung eingegangen. Die vertretenen Konzepte zur Wortbildung hat die Verfasserin in dem UTB-Buch Morphologie der deutschen Sprache (Römer 2006) Römer, C.ausführlicher dargelegt. Da die Wortschatzforschung Wortschatzforschungin den letzten Jahren wieder verstärkt in den Blickpunkt gerückt ist, wurde ein Kapitel zur Wissenschaft vom Wortschatz (Kapitel 1) eingefügt, das die Erweiterungen der Erkenntnisinteressen und Methoden der Lexikologie ins Zentrum stellt.

      Hinzugekommen ist auch ein Index zu den besprochenen Lexembeispielen (ohne die Phraseologismen aus Kapitel 4). Wie auch beim Sachregister und dem Index der Namen werden nur die relevanten Begriffe und davon die wichtigsten Textstellen genannt. Deshalb wird bei Beispielgruppen nur ein Beispiel angeführt. Ein wichtiges Prinzip der neueren Linguistik ist, dass man Aussagen belegt und die Beispiele in einem Kontext verwendet; diejenigen, die aus dem Internet stammen, werden nur in den Fußnoten nachgewiesen. Auf eine „geschlechtergerechte Sprache“ wird im Text aus ökonomischen Gründen verzichtet. Beim tradierten generischen Maskulinum sind nicht männliche Referenten mit gemeint. Das generische Maskulinum wird als die vom Sexus abstrahierende Ausdrucksform verwendet. Sprachegeschlechtergerecht

      Bedanken möchte ich mich bei Brigitte Matzke Matzke, B.für die sehr gute Zusammenarbeit und ihr viel Erfolg auf ihrem neuen Arbeitsgebiet der Musikwissenschaft wünschen. Dankbar bin ich den Studentinnen und Studenten, die in den Lehrveranstaltungen Hinweise und Verbesserungsvorschläge eingebracht haben; Susanne Wiegand Wiegand, S.für die Anregungen zur Umsetzung in der Lehre und dem Gunter Narr Verlag für die Lektorierung.

      Jena, August 2019 Christine Römer

      1 Lexikologie – Wissenschaft vom Wortschatz

      1.1 Wortschätze Wortschätze

      Für die Gesamtheit aller Wörter wird oft der Terminus Wortschatz verwendet. Es ist jedoch erst einmal sinnvoll „zwischen dem Wortschatz einer Sprache und dem Wortschatz einer bestimmten Person(engruppe) zu unterscheiden.“ (Schnörch 2015, S. 3) Es ist unter anderem der Wortschatz einzelner Sprachen (der deutsche Wortschatz), von spezifischen Wortgruppen (‘der Wortschatz in der Pflege’)1 oder einzelner Personen (von Goethe im Goethe-Wörterbuch) zu trennen. Man spricht auch von Wortschatzgebieten innerhalb des Wortschatzes, beispielsweise vom „Computerwortschatz“ bzw. „Computervokabular“. (Bruendl 2001) Zum anderen muss einbezogen werden, dass sich der Wortschatz lebender Sprachen ständig in der Veränderung befindet, also ein dynamisches Objekt ist. Deshalb muss man einen Unterschied zwischen historischen Wortschätzen und Wortschätzen in der Gegenwart machen. Wortschätze

      1.2 Wortschatzumfang des Deutschen

      Dass der Umfang des Wortschatzes Wortschatzumfangder deutschen Sprache nur geschätzt werden kann, hat verschiedene Ursachen: Das Lexikon einer Sprache ist ein offenes und instabiles System, in das ständig neue LexikonWörter aufgenommen werden. Gleichzeitig werden Wörter ungebräuchlich und gelegentlich aussortiert.

      Insgesamt hat die deutsche Sprache, wie andere entwickelte Kultursprachen auch, ihren Umfang im 19. und 20. Jahrhundert stark vergrößert. Bei der Feststellung des genauen Umfangs erhebt sich die Frage, ob alle Wortbildungen, Wortformen und Fachwörter einbezogen werden sollen. Ohne die Fachwörter und morphologischen Wortformen nimmt man 300 000 – 500 000 deutsche Wörter an, mit den Fachwörtern Fachwörtersind es 5 – 10 Millionen. Die Medizin beispielsweise verfügt mindestens über eine halbe Million Fachwörter: 80 000 für Medikamente, 10 000 für Körperteile und Organe und 60 000 für Krankheitsbezeichnungen.

      Die Durchschnittssprecher beherrschen aktiv 6 000 – 10 000 Wörter (= produktiver Wortschatz), Wortschatzaktiverwie viele es genau sind, hängt von der Ausbildung, dem Beruf und den Interessen ab. Auf jeden Fall ist es immer nur ein kleiner Teil der gesamten Wortmenge. Bei Personen, die ständig mit der Sprache umgehen, liegt die Zahl höher. Für den Schriftsteller Theodor Storm hat man festgestellt, dass er 22 500 Wörter in seinem Gesamtwerk benutzt hat. Für Goethe gibt man 80 000 an. Der Verstehenswortschatz (= rezeptiver oder passiver Wortschatz) Wortschatzpassiverumfasst beim Muttersprachler ca. 100 000 Wörter. (Schnoerch 2015) Schnörch, U.

      Wichtiger als die Frage nach der Wortmenge ist die Feststellung der Benutzungshäufigkeit der einzelnen Wörter, weil diese für die Ableitung von Grundwortschätzen relevant ist. GrundwortschatzGrundwortschätze können verschiedenen Zwecken dienen: GrundwortschatzZwecke

       dem Unterricht im Zweitspracherwerb,

       der Grundschuldidaktik (Orthografie-, Grammatik- und Ausdrucksunterricht),

       der Wörterbucherstellung.

      Deshalb sind nicht nur quantitative, sondern auch kommunikativ-pragmatische Faktoren (Schnörch, 2002) – wie Benutzer,